Das Herz des Werwolfs (German Edition)
Energie reagieren, die sie so noch nirgends erlebt hatte. Doch während sie so sehr damit beschäftigt war, nicht über all diese Dinge nachzudenken und dabei ihren Rucksack mit zusätzlichen Vorräten füllte und Pfeile an seine Seite band, hatte sie viel zuviel Zeit, um die hübsche Bettwäsche und die Kleider in den Truhen an der Wand zu betrachten … und die Wolfsleiche, die danebenlag.
Doch es war mehr als ein Wolf, nicht wahr? Er – sie – hatte diese Decken benutzt, diese Kleider getragen, den jetzt zerbrochenen Krimskrams ausgesucht. Candida, dachte sie und sah zu der reglosen Gestalt hinab. Sie wusste nicht, ob sie Mitleid verspürte, Ekel, Verwirrung oder alles auf einmal. Wahrscheinlich Letzteres. Sie bedauerte die Frau, die sich einen abstrakten Farbklecks an die Wand gehängt hatte. Und sie ekelte sich vor einer Spezies, die sogar im Krieg Frauen einlullen, verführen, benutzen und dann fortwerfen konnte. Das ist lange her, rief sie sich in Erinnerung. Dennoch, das Potenzial hatten sie immer noch. Die Macht dazu hatten sie immer noch.
Und doch war Candida gestorben, um ihren Blut trinkenden Freund zu beschützen.
Anscheinend hatte Dayn alles, was er brauchte, zusammengesucht. Er trat von den Regalen zurück und legte eine schwere Robe über Candidas Körper. Einen Augenblick lang stand er da und schien ein Gebet zu sprechen, oder vielleicht eine Entschuldigung.
Ihr Herz schien in ihrer Brust zu hüpfen, und Wärme durchflutete sie, fremdartig und neu. Zärtlichkeit.
Er ist ein Bluttrinker, rief sie sich in Erinnerung. Doch die Warnung wurde von einer andere Stimme in ihrem Kopf beantwortet: Ja, aber er ist auch ein Prinz. Beides war er seit seiner Geburt, und beide Bezeichnungen wurden ihm als Mann überhaupt nicht gerecht. Dayn, der Bluttrinker, war dunkel und sexy; Dayn, der Prinz, war zielstrebig und entschlossen, seine Versprechen einzuhalten.Dayn, der Mann, hingegen war sehr real.
Zu Hause sagten ihre Freunde ihr immer, sie sei zu wählerisch. Jeder Mann wäre eine Mischung aus guten und schlechten Seiten, und sie müsste nur eine Mischung finden, die zu ihr selbst passte, statt auf Mr Perfect zu warten. Sie begriffen einfach nicht – Reda konnte es ihnen nicht begreiflich machen –, dass sie nicht nach einem fehlerlosen Mann suchte. Sie wollte einen, der über sich selbst hinauswuchs, dem andere Dinge wichtiger waren als ein Auto, ein Flachbildfernseher oder seine Karriere. Sie wollte jemanden, der den strengen Moralkodex und militärischen Heldenmut ihres Vaters mit dem Mitgefühl ihrer Mutter, ihrer Verspieltheit und ihrem Sinn für Abenteuer verband.
Sie wollte den Förster, den Märchenprinzen. Und sie hatte ihn gefunden – jedenfalls für die nächsten achtundvierzig Stunden.
Als er geendet hatte, drehte er sich zu ihr um. Er ertappte sie dabei, wie sie ihn anstarrte, fragte aber nur: „Fertig?“
Sie stand auf und warf sich den Rucksack über die Schulter, wo sie bereits einen nicht gespannten Bogen trug. „Hast du gefunden, wonach du gesucht hast?“
Er nickte. „Ich habe das Gift, das ich wollte – sie konnte es nicht ausreichend testen, also weiß ich nicht, ob es funktioniert – und dazu einen Vorrat an Wolfsschlaf-Saft. Das ist ungefähr wie Kaugummi in deiner Welt, aber man kann damit auch Wunden verschließen. Und das hier ist vielleicht praktisch.“ Er kramte in seinem abgetragenen Rucksack und zog drei kleine grüne Klumpen heraus, die wie Knete beschaffen waren und ölig glänzten.
Reda rümpfte die Nase, auch wenn jeder Geruch, den die Masse vielleicht hatte, vom beißend rauchigen Aromaüberdeckt wurde, das in der Hütte herrschte und ihre Atemwege bedeckte. „Was ist das?“
„Wolfsbene.“
Sie betrachtete das Zeug mit Interesse. „Ein Abwehrmittel?“
„Nicht Bann “, berichtigte er, „ Bene . Wie in Benefiz. Es stärkt ihre menschliche Gestalt, gibt ihnen mehr Kraft, Geschwindigkeit und Ausdauer. Es funktioniert auch bei uns, nur nicht ganz so stark. Stell es dir wie Raketentreibstoff für den menschlichen Körper vor.“ Er ließ die Klumpen in einen kleinen Umschlag aus glatter Baumrinde gleiten und reichte ihn ihr. „Behalt das bei dir. Ich habe noch mehr, aber du sollst deinen eigenen Vorrat haben, falls wir getrennt werden und du es brauchst.“ Er zögerte kurz. „Es gibt Nebenwirkungen, benutz es also nur, wenn du wirklich musst.“
Sie erstarrte. „Was für Nebenwirkungen?“
„Es kräftigt nicht nur den Körper … es, äh, wirkt
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