Das Herz Des Winters
Langbogen in Händen hielten. Noch hatte keiner von ihnen den Bogen gespannt, aber jeder Mann hatte einen Pfeil eingelegt und war bereit. Es war Wahnsinn.
Perrin trieb Steher so weit zum Galopp an, wie es dem Pferd möglich war, und pflügte von den anderen gefolgt durch den Schnee, bis er die Spitze der ghealdanischen Formation erreicht hatte. Berelain war dort, in einem pelzbesetzten roten Umhang, und Gallenne, der einäugige Hauptmann der Beflügelten Wachen; Annoura war an ihrer Seite, ihre Aes Sedai-Beraterin, und sie alle stritten anscheinend mit Alliandres Erstem Hauptmann, einem kleinen, hartgesottenen Burschen namens Gerard Arganda, der den Kopf so heftig schüttelte, dass die weißen Federn auf seinem funkelnden Helm bebten. Die Erste von Mayene schien bereit, Nägel zu zerkauen, Annouras Aes Sedai-Gelassenheit ließ Sorge durchschimmern, und Gallenne betastete den mit einem roten Federbusch versehenen Helm, der an seinem Sattel hing, als wollte er ihn doch aufsetzen. Bei Perrins Anblick verstummten sie und drehten ihre Pferde ihm zu. Berelain saß aufrecht im Sattel, aber ihr schwarzes Haar wehte im Wind. Ihre weiße Stute mit den schlanken Fesseln zitterte; an ihren Flanken gefror der Schweiß eines schnellen Ritts.
Bevor Perrin sie fragen konnte, was beim Licht sie dort eigentlich zu tun glaubten, ergriff Berelain mit maskenhaftem Gesicht und einer starren Förmlichkeit, die ihn verdutzt blinzeln ließ, das Wort.
»Lord Perrin, Eure Gemahlin und ich waren mit Königin Alliandre auf der Jagd, als wir von Aiel angegriffen wurden. Mir gelang die Flucht. Bis jetzt ist noch kein Mitglied der Gruppe zurückgekehrt, obwohl es möglich ist, dass die Aiel Gefangene gemacht haben. Ich habe eine Abteilung Lanzenreiter losgeschickt, um die Lage zu erkunden. Wir waren etwa zehn Meilen südöstlich, also müssten sie bei Einbruch der Nacht hier wieder eintreffen.«
»Faile wurde gefangen genommen?«, sagte Perrin mit belegter Stimme. Schon bevor sie von Ghealdan nach Amadicia aufgebrochen waren, hatten sie von plündernden, alles niederbrennenden Aiel gehört, aber es war immer woanders gewesen, im nächsten Dorf oder übernächsten, wenn nicht sogar noch weiter entfernt. Nie nahe genug, um sich deswegen Sorgen zu machen. Nicht, wenn er Rand al'Thors verfluchte Befehle auszuführen hatte! Und nun konnte man sehen, welcher Preis dafür zu zahlen war.
»Warum seid ihr alle noch hier?«, verlangte er lautstark zu wissen. »Warum sucht ihr nicht nach ihr?« Ihm wurde bewusst, dass er schrie. Er wollte heulen, sie in Stücke reißen. »Zum Henker mit euch allen, worauf wartet ihr?« Berelains Nüchternheit, so als würde sie berichten, wie viel Futter für die Pferde noch da war, trieb ihm die Zornesröte ins Gesicht. Vor allem deshalb, weil sie Recht hatte.
»Wir wurden von zwei- oder dreihundert von ihnen überfallen, Lord Perrin, aber Ihr wisst genauso gut wie ich, dass sich ein Dutzend oder mehr solcher Banden in der Gegend herumtreiben. Wenn wir sie mit einer Streitmacht verfolgen, könnten wir uns einer Schlacht mit Aiel gegenübersehen, die uns schwere Verluste kostet, ohne überhaupt zu wissen, ob es diejenigen sind, die Eure Gemahlin in ihrer Gewalt haben. Oder ob sie überhaupt noch am Leben ist. Das müssen wir zuerst in Erfahrung bringen, Lord Perrin, oder alles andere ist schlimmer als nutzlos.«
Wenn sie noch am Leben war. Er zitterte; plötzlich saß die Kälte tief in seinem Inneren. In seinen Knochen. Seinem Herzen. Sie musste noch am Leben sein. Sie musste es. Oh, Licht, er hätte sie nach Abila mitkommen lassen sollen. Annouras Gesicht mit dem breiten Mund war eine Maske des Mitgefühls, eingerahmt von dünnen tarabonischen Zöpfen. Plötzlich wurde er sich des Schmerzes in seinen Fingern bewusst, die sich um die Zügel verkrampften. Er zwang sich dazu, sie zu lockern, spreizte die Finger in seinen Handschuhen.
»Sie hat Recht«, sagte Elyas leise und lenkte seinen Wallach näher heran. »Beherrsch dich. Mach bei den Aiel einen dummen Fehler und du forderst den Tod heraus. Reißt möglicherweise eine Menge Männer mit dir ins Verderben. Sterben ist sinnlos, wenn deine Frau eine Gefangene bleibt.« Er versuchte, seinen Tonfall zuversichtlicher klingen zu lassen, aber Perrin konnte seine Anspannung riechen. »Aber egal, wir werden sie finden, Junge. Womöglich ist sie ihnen ja entkommen, eine Frau wie sie. Versucht zu Fuß zurückzukommen. Das dürfte dauern in einem Kleid. Die Kundschafter werden
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