Das Herz Des Winters
Perrin würde die Shaido mit Sicherheit jagen, aber der Gedanke an eine Rettung fand keinen Eingang in ihre Berechnungen. Warte auf die Rettung und womöglich wartest du für alle Zeiten. Außerdem mussten sie so schnell wie möglich fliehen, bevor ihre Entführer sich mit dem Rest der Shaido vereinigten. Noch sah sie keine Möglichkeit, aber es musste einen Weg geben. Zumindest hatten sie das Glück, dass sich die Hauptgruppe der Shaido Tage von ihnen entfernt befinden musste. In diesem Teil von Amadicia herrschte das Chaos, aber sie hätten davon gehört, wenn sich Tausende von Shaido in ihrer Nähe befunden hätten.
Ganz zu Anfang hatte sie einmal versucht, zu den Frauen zurückzublicken, die zusammen mit ihr gefangen worden waren, aber der Versuch hatte lediglich zu einem Sturz in eine Schneebank geführt. Zur Hälfte unter weißem Pulverschnee begraben, hatte die eisige Berührung sie nach Luft schnappen lassen, und dann hatte sie erneut gekeucht, als der riesenhafte Shaido, der ihre Leine hielt, sie wieder auf die Füße setzte. Rolan, der so breit wie Perrin und mindestens einen ganzen Kopf größer war, hatte sie einfach an den Haaren in die Höhe gezerrt und sie mit einem Schlag auf den nackten Hintern angetrieben, um dann wieder in jenen weit ausholenden Dauerlauf zu verfallen, der sie zur Schnelligkeit zwang. Der Schlag hätte auch dazu dienen können, ein Pony anzutreiben. Trotz ihrer Nacktheit stand in Rolans blauen Augen nichts von einem Mann zu lesen, der eine Frau betrachtete. Ein Teil von ihr war dafür sehr dankbar. Ein anderer Teil war auf eine vage Weise ... entsetzt. Sie wollte mit Sicherheit nicht, dass er sie mit Lust oder gar Begehren betrachtete, aber diese ausdruckslosen Blicke waren fast schon eine Beleidigung! Danach konzentrierte sie sich darauf, nicht erneut zu stürzen, doch als die Stunden ohne die geringste Rast vergingen, wurde es bereits zu einer gewaltigen Anstrengung, sich nur auf den Beinen zu halten.
Anfangs hatte sie sich noch darüber gesorgt, welche ihrer Körperteile wohl zuerst erfrieren würden, aber als der Morgen ohne Marschpause in den Nachmittag übergegangen war, konzentrierte sie sich auf ihre Füße. Rolan und die vor ihm Gehenden hatten eine Art Pfad für sie getrampelt, aber es blieb genug eisiger Schnee mit scharfen Kanten übrig, und sie fing an, rote Flecken zu hinterlassen, die in ihren Fußabdrücken gefroren. Noch schlimmer war die Kälte. Falle hatte schon Erfrierungen gesehen. Wie lange würde es dauern, bis ihre Zehen schwarz wurden? Bei jedem stolpernden Schritt nach vorn dehnte sie den Fuß und bewegte ständig die Hände. Finger und Zehen schwebten in der größten Gefahr. Was das Gesicht und den Rest ihres Körpers anging, konnte sie nur hoffen. Das Dehnen schmerzte, es ließ die Schnitte in ihren Fußsohlen brennen, aber jede Empfindung war besser als keine. Wenn das Gefühl verschwand, würde ihr nur noch wenig Zeit bleiben. Dehnen und gehen, dehnen und gehen. Das füllte ihre Gedanken, sonst nichts. Sich mit zitternden Beinen weiter fortbewegen und Hände und Füße vor dem Erfrieren zu bewahren. Sich weiter bewegen.
Plötzlich stolperte sie gegen Rolan und wurde keuchend von seiner breiten Brust zurückgeworfen. Zur Hälfte benommen - vielleicht sogar mehr als das - hatte sie nicht mitbekommen, dass er stehen geblieben war. Genau wie die anderen, die sich vor ihnen befanden; ein paar von ihnen blickten zurück, der Rest sicherte misstrauisch mit erhobenen Waffen die Seiten, so als würden sie einen Angriff erwarten. Das war alles, was sie sehen konnte, bevor Rolan wieder eine Hand voll ihres Haars packte und sich bückte, um einen ihrer Füße anzuheben. Licht, der Mann behandelte sie wirklich wie ein Pony!
Er ließ Haare und Fuß los, schob einen Arm um ihre Beine, und im nächsten Augenblick wirbelte alles um sie herum, als er sie sich über die Schulter legte und ihr Kopf neben dem auf seinem Rücken hängenden Hornbogen zu ruhen kam. Empörung stieg in ihr auf, als er sie ungerührt hin und her schob, bis er die beste Trageposition gefunden hatte, aber sie unterdrückte sie, so schnell sie gekommen war. Das war weder der richtige Ort noch die richtige Zeit. Ihre Füße waren aus dem Schnee, das war alles, was zählte. Und auf diese Weise konnte sie verschnaufen. Allerdings hätte er sie vorher warnen können.
Mühsam verdrehte sie den Nacken, damit sie ihre Gefährtinnen sehen konnte, und verspürte Erleichterung, dass sie alle noch dabei
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