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Das Herz Des Winters

Das Herz Des Winters

Titel: Das Herz Des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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aufhören zu zittern. Ihr Inneres war erfroren, der heiße Tee bereits nur noch Erinnerung. Ihre Muskeln bestanden aus einer Woche altem, geronnenen Pudding. Sie wollte die sich füllende Tasse anstarren, ihren Inhalt begehren, aber sie zwang sich dazu, nach ihren Gefährtinnen Ausschau zu halten.
    Sie waren alle in einer Reihe mit ihr da, Maighdin und Alliandre und die anderen, hockten zusammengesunken auf Wolldecken, zitterten unter von Schnee gesprenkelten Decken. Vor jeder von ihnen kniete ein Gai'schain mit einem dicken Wasserbeutel und einem Becher, und selbst Bain und Chiad tranken wie Frauen, die halb verdurstet waren. Jemand hatte Bains Gesicht vom Blut gesäubert, aber im Gegensatz zum letzten Mal, als Faile die beiden Töchter gesehen hatte, waren die beiden so abgezehrt und unsicher auf den Beinen wie alle anderen auch. Von Alliandre bis Lacile sahen ihre Gefährtinnen aus, als - wie pflegte Perrin doch immer zu sagen? - hätte man sie rücklings durch ein Astloch gezogen. Aber es waren noch alle am Leben; das war das wichtigste. Nur die Lebenden konnten entfliehen.
    Rolan und die anderen Algai'd'siswai, in deren Gewalt sie waren, bildeten eine dicht zusammengedrängte Gruppe am Ende der knienden Reihe. Fünf Männer und drei Frauen, und der Schnee reichte den Töchtern fast bis zu den Knien. Die schwarzen Schleier hingen ihnen auf der Brust und sie betrachteten ihre Gefangenen und die Gai'schain reglos. Einen Augenblick lang sah Faile sie stirnrunzelnd an, versuchte einen schlüpfrigen Gedanken festzuhalten. Ja, natürlich. Wo waren die anderen? Die Flucht würde leichter sein, wenn der Rest aus irgendeinem Grund verschwunden war. Aber da war noch eine andere, genauso nebelhafte Frage, die ihr jedoch immer wieder entglitt.
    Plötzlich sprang das, was sich hinter den acht Aiel befand, förmlich in ihr Blickfeld, und die Frage und die Antwort kamen ihr gleichzeitig in den Sinn. Wo kamen die Gai'schain her? Etwa hundert Schritte entfernt floss ein stetiger, vom fallenden Schnee und ein paar vereinzelt stehenden Bäumen leicht verdeckter Strom von Menschen, Lasttieren, Wagen und Karren vorbei. Nein, kein Strom. Eine Flut von Aiel auf der Reise. Statt mit hundertfünfzig Shaido musste sie sich nun mit dem ganzen Clan auseinandersetzen. Es erschien ihr unmöglich, dass so viele Menschen nur einen oder mehrere Tagesmärsche von Abila entfernt vorbeireisen konnten, ohne einen Alarm auszulösen, selbst in einem Land, in dem Anarchie herrschte, aber der Beweis lag vor ihren Augen. In ihrem Inneren fühlte sie sich wie betäubt. Vielleicht würde die Flucht ja dennoch nicht schwieriger durchzuführen sein, aber sie glaubte es nicht.
    »Wieso haben sie mich beleidigt?«, fragte sie stockend und schloss dann den Mund, um ihre Zähne am Klappern zu hindern. Und öffnete ihn wieder, als ihr der Gai'schain den Becher reichte. Sie schluckte die kostbare Wärme, würgte, zwang sich zu langsameren Schlucken. Der Honig war so dick, dass er zu einem anderen Zeitpunkt ekelhaft geschmeckt hätte, aber jetzt dämpfte er ihren Hunger ein wenig.
    »Ihr Feuchtländer wisst auch gar nichts«, sagte der Narbige abschätzig. »Gai'schain erhalten keine Kleidung, bis man ihnen die richtigen Gewänder geben kann. Aber sie fürchteten, ihr würdet erfrieren, und sie hatten nur ihre Mäntel, um euch zu wärmen. Man hat euch beschämt, als schwach bezeichnet, falls man Feuchtländer beschämen kann. Rolan und viele der anderen sind Mem'din, aber Efalin und der Rest hätte es besser wissen sollen. Efalin hätte es nicht erlauben dürfen.«
    Beschämt? In Wut versetzt traf wohl eher zu. Faile wollte den Kopf nicht von dem gesegneten Becher abwenden, also verdrehte sie die Augen, bis sie den Riesen sehen konnte, der sie wie einen Sack Korn getragen und sie gnadenlos geschlagen hatte. Sie glaubte sich vage zu erinnern, dass sie diese Schläge auf den Hintern willkommen geheißen hatte, aber das war unmöglich. Natürlich war es unmöglich! Davon abgesehen, sah Rolan nicht wie ein Mann aus, der fast einen ganzen Tag und eine Nacht ohne Rast gelaufen war und dabei jemanden getragen hatte. Sein Atem, der in der Luft zu weißem Dampf erstarrte, ging ganz ruhig. Mem'din? Hieß das nicht Bruderlos in der Alten Sprache? Das sagte ihr nichts, aber in der Stimme des Gai'schain hatte eine Spur von Verachtung gelegen. Sie würde Bain und Chiad fragen müssen und hoffen, dass das nicht zu jenen Dingen gehörte, über die Aiel nicht mit Feuchtländern

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