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Das Herz Des Winters

Das Herz Des Winters

Titel: Das Herz Des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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voller Panik weiterzulaufen, atmete keuchend Luft ein, die so kalt war, dass sie ihre Kehle wie Glasscherben aufschlitzte. An den kahlen Ästen um sie herum funkelten Eiszapfen, eisiger Wind heulte durch den blattlosen Wald. Perrin war sehr wütend und sie musste fort. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund konnte sie sich nicht mehr an die Einzelheiten des Streits erinnern, nur dass sie ihren wunderschönen Wolf irgendwie richtig wütend gemacht hatte, bis Gegenstände geworfen wurden. Nur dass Perrin nie mit Gegenständen um sich warf. Er würde sie übers Knie legen, so wie er es schon einmal vor langer Zeit getan hatte. Aber warum rannte sie davor fort? Da war doch noch immer die Versöhnung. Und natürlich würde sie ihn für die Demütigung zahlen lassen. Gut, sie hatte ihn gelegentlich mit einer wohlgezielten Schale oder einem Krug ein bisschen bluten lassen, ohne das eigentlich zu wollen, aber sie wusste, dass er ihr niemals richtig wehtun würde. Doch sie wusste auch, dass sie rennen musste, immer weiter, oder sie würde sterben.
    Wenn er mich fängt, dachte sie trocken, wird zumindest ein Teil von mir warm sein. Der Gedanke ließ sie lachen, bis das tote weiße Land um sie herumwirbelte, und sie wusste, dass auch sie bald tot sein würde.
    Ein gewaltiges Feuer ragte vor ihr auf, ein Turm aus dicken Scheiten, aus dem prasselnde Flammen schlugen. Sie war nackt. Und ihr war kalt, so kalt. Ganz egal, wie nahe sie sich an das Feuer heranschob, ihre Knochen fühlten sich wie gefroren an, ihr Fleisch schien bereit, beim geringsten Schlag zu zersplittern. Sie ging noch näher heran. Die Hitze der lodernden Scheite wuchs, bis sie zusammenzuckte, aber die bittere Kälte blieb unter ihrer Haut gefangen. Näher heran. O Licht, es war heiß, zu heiß! Und in ihrem Inneren zu kalt. Noch näher heran. Das Brennen, der verzehrende Schmerz ließ sie schreien, aber innen drin war sie noch immer Eis. Und noch näher heran. Näher. Sie würde sterben. Sie kreischte, aber da war nur Stille und die Kälte.
    Plötzlich war da Tageslicht, doch der Himmel war voller bleigrauer Wolken. Schnee fiel, federgleiche Schneeflocken wirbelten vom Wind getrieben an den Bäumen vorbei. Es war kein scharfer Wind, aber er züngelte mit Eiszungen. Auf den Ästen wuchsen weiße Grate in die Höhe, bis sie groß genug waren, durch ihr eigenes Gewicht und den Wind zusammenzubrechen, was schwerere Schauer zu Boden schickte. Hunger nagte mit stumpfen Zähnen in ihrem Bauch. Ein hoch gewachsener, knochiger Mann, dessen Gesicht von einer weißen Wollkapuze verhüllt wurde, zwang ihr etwas in den Mund, den Rand einer großen Tontasse. Seine Augen waren von einem atemberaubenden Grün, das an Smaragde erinnerte, und sie wurden von faltigen Narben umgeben. Er kniete neben ihr auf einer braunen Wolldecke, und eine weitere, grau gestreifte Wolldecke bedeckte ihre Nacktheit. Der Geschmack von heißem Tee mit Honig explodierte auf ihrer Zunge, und sie packte das sehnige Handgelenk des Mannes mit beiden Händen, nur damit er nicht versuchen konnte, den Becher wegzunehmen. Ihre Zähne schlugen gegen die Tasse, aber sie schluckte die dampfende, sämige Flüssigkeit gierig.
    »Nicht zu schnell, du darfst nichts verschütten«, sagte der grünäugige Mann sanft. Sanftheit passte eigentlich nicht zu diesem wilden Gesicht, und dann auch noch in einer solch rauen Stimme. »Sie haben deine Ehre beleidigt. Aber du bist eine Feuchtländerin, also zählt das bei dir vielleicht nicht.«
    Langsam dämmerte es ihr, dass das kein Traum war. Die Gedanken kamen in tröpfelnden Schatten, die schmolzen, wenn sie zu energisch versuchte, sie festzuhalten. Der in Weiß gekleidete Kerl war ein Gai'schain. Ihre Leine und die Fesseln waren verschwunden. Er löste sich aus ihrem schwachen Griff, aber nur, um aus dem von seiner Schulter hängenden Lederbeutel eine dunkle Flüssigkeit einzuschenken. Dampf wallte aus der Tasse hoch und der Duft von Tee.
    Sie zitterte so sehr, dass sie beinahe vornüberfiel, und sie zog die dicke Wolldecke enger um sich herum. In ihren Füßen tobte ein wütender Schmerz. Sie hätte nicht stehen können, selbst wenn sie es gewollt hätte. Nicht, dass sie es wollte. So lange sie sich zusammenkauerte, schien die Decke alles bis auf ihre Füße zu bedecken; Stehen hätte ihre Beine und vielleicht noch mehr entblößt. Aber sie dachte dabei an Wärme, nicht an Schicklichkeit, obwohl es von beidem nicht viel gab. Der Hunger nagte in ihr und sie konnte nicht

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