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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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die Tür geöffnet.
»Hat der Direktor gesagt, dass ich ihn sprechen kann?«
    »O ja«, sagte Smythe, der Shay zu seiner
Zelle führte. »Du sollst unbedingt morgen zum Tee kommen.«
    »Ich brauche nur fünf Minuten von seiner
Zeit -«
    »Du bist nicht der Einzige, der Probleme
hat«, fauchte Smythe. »Stell einen schriftlichen Antrag.«
    »Das kann ich nicht«, erwiderte
Shay.
    Ich räusperte mich. »Aufseher? Könnte ich
bitte auch ein Antragsformular haben?«
    Er schloss Shay in seiner Zelle ein, zog
dann ein Formular aus der Tasche und steckte es in die Klappe meiner Zellentür.
    Gerade als die Aufseher den Block
verließen, ertönte ein kleines, schwaches Zwitschern.
    »Shay?«, sagte ich. »Wieso füllst du das
Formular nicht einfach aus?«
    »Ich krieg das mit den Worten nicht
richtig hin.“
    »Dem Direktor ist es sicher egal, ob die
Grammatik stimmt.“
    »Nein, ich meine beim Schreiben. Die
Buchstaben geraten alle durcheinander.«
    »Dann füll ich das Formular für dich
aus.« Schweigen. »Das würdest du tun?«
    »Könnt ihr beide mal mit der Seifenoper
aufhören?«, sagte Crash. »Ich kotz gleich.«
    »Sag dem Direktor«, diktierte Shay, »ich
will mein Herz spenden, nachdem er mich getötet hat. Ich will es einem Mädchen
geben, das es dringender braucht als ich.«
    Ich drückte das Formular gegen die
Zellenwand und füllte es mit Bleistift aus, unterschrieb dann mit Shays Namen.
Ich band das Blatt ans Ende meiner Angelschnur und schwang es so, dass es vor
dem schmalen Spalt unter seiner Zellentür landete. »Gib das dem Aufseher, der
morgen früh die Runde macht.«
    »Weißt du, Bourne«, sinnierte Crash, »ich
weiß nicht, was ich von dir halten soll. Ich meine, auf der einen Seite bist du
ein dreckiger Kinderkiller. Ungefähr so viel wert wie der Schimmel, der auf
Joey wächst, nach dem, was du der Kleinen angetan hast. Aber auf der anderen
Seite hast du auch einen Cop kaltgemacht, und was mich betrifft, ich bin für
jeden Bullen weniger echt dankbar. Also, was soll ich machen? Soll ich dich
hassen oder Respekt vor dir haben?«
    »Keines von beidem«, sagte Shay.
»Beides.«
    »Weißt du, was ich finde? Kinderabmurksen
wiegt alles auf, was du vielleicht Gutes getan hast.« Crash stellte sich vor
seine Zellentür und fing an, mit einem Metallbecher gegen das Plexiglas zu
schlagen. »Schmeißt ihn raus. Schmeißt ihn raus. Schmeißt ihn raus!«
    Joey - der es nicht gewohnt war, nicht
mehr der allerunterste Fußabtreter zu sein - skandierte als Erster mit. Dann
fielen Texas und Pogie mit ein, weil sie alles taten, was Crash ihnen sagte.
    Schmeißt ihn raus.
    Schmeißt ihn raus.
    Whitakers Stimme gellte aus dem
Lautsprecher. »Hast du ein Problem, Vitale?«
    »Ich hab kein Problem. Der perverse
Kinderkiller hier ist der Einzige mit einem Problem. Ich sag Ihnen was,
Aufseher. Lassen Sie mich fünf Minuten zu ihm in die Zelle, und ich erspare den
braven Steuerzahlern die Mühe, ihn loszuwerden -«
    »Crash«, sagte Shay leise. »Reg dich ab.«
    Ich wurde von einem pfeifenden Geräusch
abgelenkt, das von meinem Blechwaschbecken kam. Kaum war ich aufgestanden, um
der Sache auf den Grund zu gehen, als das Wasser aus dem Hahn geschossen kam.
Das war in zweierlei Hinsicht bemerkenswert - erstens reichte der Wasserdruck
normalerweise höchstens zu einem dünnen Strahl, selbst in den Duschen. Und
zweitens war das Wasser, das jetzt über den Beckenrand schwappte,
sattdunkelrot.
    »Scheiße!«, brüllte Crash. »Ich bin
klatschnaß!«
    »Mann, das sieht aus wie Blut«, sagte
Pogie entsetzt. »Damit wasch ich mich nicht.«
    »Im Klo ist es auch rot«, vermeldete
Texas.
    Ich drehte mich um und warf einen Blick
in meine Kloschüssel. Das Wasser darin war tiefrot.
    »Ich glaub, ich spinne«, sagte Crash.
»Das ist kein Blut. Das ist Wein.« Er krähte los wie ein Irrer. »Los, Ladys,
probiert. Die Drinks gehen aufs Haus.«
    Ich wartete. Ich trank das Leitungswasser
hier grundsätzlich nicht. Ich hatte sowieso schon den Verdacht, dass meine
Aids-Medikamente, über die akribisch Buch geführt wurde, auf Anweisung von
ganz oben an entbehrlichen Häftlingen getestet wurden, die als ahnungslose
Versuchskaninchen herhalten mussten ... Und unserer Trinkwasserversorgung, die
von derselben Obrigkeit kontrolliert wurde, traute ich genauso wenig. Aber dann
hörte ich, wie Joey loslachte und Calloway gierig aus dem Wasserhahn schlürfte
und Texas und Pogie ein Trinklied anstimmten. Die ganze Stimmung im Block
veränderte sich so

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