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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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die
einfachsten Aufgaben verrichtete ich mit Freude - das Vestibül fegen oder die
Eucharistiegefäße an der Piscina reinigen, damit kein Tropfen von Christi Blut
in der Kanalisation von Concord landete.
    Ich hatte kein eigenes Büro in St.
Catherine. Father Walter dagegen wohl, aber er war schließlich schon so lange
in der Gemeinde, dass er zu einem festen Bestandteil geworden war wie die
Rosenholzkirchenbänke und die Velvetondecken auf dem Altar. Er hatte mir zwar
versprochen, irgendwann einen der alten Abstellräume zu entrümpeln, um auch für
mich ein Plätzchen zu schaffen, doch in seiner freien Zeit nach dem Mittagessen
hielt er normalerweise ein Nickerchen, und ich hätte einem Mann in den
Siebzigern ja schlecht sagen können, er solle endlich in die Gänge kommen! Nach
einer Weile gab ich das Abwarten auf und stellte mir statt dessen einen kleinen
Schreibtisch in eine Besenkammer. Heute musste ich eine Predigt schreiben -
wenn ich sie auf sieben Minuten beschränkte, würden die älteren
Gemeindemitglieder erfahrungsgemäß nicht einschlafen -, doch statt dessen
wanderten meine Gedanken immer wieder zu einem unserer jüngsten Mitglieder.
Hannah Smythe war das erste Baby, das ich in St. Catherine getauft hatte.
Jetzt, gerade mal ein Jahr später, war die Kleine wiederholt im Krankenhaus
gewesen. Immer wieder schlossen sich ganz plötzlich ihre Atemwege, und dann
brachten die panischen Eltern sie überstürzt in die Notaufnahme, wo sie
intubiert und halbwegs wiederhergestellt wurde, bis der Teufelskreis von Neuem
begann. Ich bat Gott in einem kurzen Gebet, er möge die Ärzte lenken, Hannah zu
heilen. Als ich gerade das Kreuzzeichen machte, kam eine grauhaarige Lady auf
meinen Schreibtisch zu. »Father Michael?«
    »Mary Lou«, sagte ich. »Wie geht es
Ihnen?«
    »Hätten Sie vielleicht ein paar Minuten
Zeit?«
    Mit ein paar Minuten war es bei Mary Lou
Huckens meist nicht getan, ein Gespräch mit ihr konnte sich gut und gern bis zu
einer Stunde hinziehen. Father Walter und ich hatten die wortlose Übereinkunft,
dass wir uns gegenseitig vor ihren überschwenglichen Lobeshymnen nach der Messe
retteten. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Eigentlich komm ich mir etwas albern
vor«, sagte sie. »Sie sollen nämlich etwas für mich segnen.«
    Ich lächelte sie an. Es kam häufiger vor,
das Gemeindemitglieder uns baten, ein Andachtsbild oder dergleichen zu segnen.
»Gern. Haben Sie es dabei?«
    Sie blickte verlegen. »Ja, das schon.«
    »Prima. Lassen Sie sehen.«
    Sie hob schützend die Hände vor ihre
Brust. »Ist das wirklich notwendig? Geht das nicht auch so?«
    Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden,
als ich begriff, was ich für sie segnen sollte. »T-Tut mir leid ...«, stammelte
ich. »Ich wollte nicht...«
    Tränen traten ihr in die Augen. »Ich hab
morgen eine Lumpektomie, Father, und ich habe furchtbare Angst.«
    Ich stand auf, legte einen Arm um sie und
führte sie die paar Schritte zur nächsten Kirchenbank, wo ich ihr ein Kleenex
anbot. »Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Ich wusste nicht, mit wem ich sonst
darüber reden sollte. Wenn ich meinem Mann sage, dass ich Angst hab, kriegt er
auch Angst.«
    »Sie wissen, mit wem Sie reden können«,
sagte ich sanft. »Und Sie wissen, dass Er Sie immer hört.« Ich legte ihr eine
Hand auf den Kopf. »Allmächtiger und barmherziger Gott, ewiger Erretter all
derer, die an Dich glauben, wir bitten Dich, segne Deine Dienerin Mary Lou,
schenke ihr Deine Gnade, auf dass sie Dich, an Leib und Seele gesundet, in
Deiner Kirche rühmen kann. Im Namen unseres Herrn Jesus Christus. Amen.«
    »Amen«, flüsterte Mary Lou.
    Das ist noch etwas, was ich an der Kirche
liebe: Du weißt nie, was dich erwartet.
     
    LUCIUS
     
    Als Shay Bourne nach drei Tagen auf der
Krankenstation in seine Zelle zurückgebracht wurde, war er ein Mann mit einer
Mission. Jeden Morgen, wenn die Aufseher fragten, wer von uns duschen oder in
den Hof wolle, bat Shay, Direktor Coyne zu sprechen. »Stell einen schriftlichen
Antrag«, lautete regelmäßig die Antwort, aber irgendwie drang sie nicht so
richtig in sein Bewußtsein. Beim Hofgang blieb er in der äußersten Ecke stehen,
blickte zur gegenüberliegenden Seite des Gefängnisses, wo die Verwaltungsbüros
lagen, und schrie seine Bitte aus vollem Hals heraus. Wenn ihm das Abendessen
gebracht wurde, fragte er jedes Mal, ob der Direktor endlich bereit sei, mit
ihm zu reden.
    »Wißt ihr, warum sie den zu uns verlegt
haben?«, sagte Calloway

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