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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Erfolg, weil der Rabbi
Angst bekommen und die Stadt verlassen hatte. Die Transplantate mussten noch
immer regelmäßig kontrolliert werden; allein im letzten Jahr war er dreimal
operiert worden.
    »Weißt du was«, sagte Alma, »von mir aus
sollen ihm die Arme ruhig abfaulen, ist mir doch egal.«
    Klar war es ihr egal. Nicht egal war ihr
jedoch, wenn er sie als Niggerschlampe bezeichnete. Dann erstarrte sie am
ganzen Körper, und immer wenn sie bei Calloway gewesen war, bewegte sie sich
ein bisschen langsamer durch den Block.
    Ich wusste genau, wie sie sich fühlte.
Wenn du anders bist, siehst du mitunter die Millionen Menschen nicht, die dich
so akzeptieren, wie du bist. Du nimmst nur die eine Person wahr, die das nicht
tut.
    »Du hast mir Hepatitis C verpaßt«, sagte
Calloway, obwohl er sich wahrscheinlich am Rasiermesser beim Knastfriseur angesteckt
hatte, wie die anderen Häftlinge, die sich die Krankheit zugezogen hatten.
»Mit deinen dreckigen Niggerhänden.«
    Calloway war heute besonders scheußlich,
selbst für seine Verhältnisse. Zuerst dachte ich, er wäre schlecht gelaunt,
weil sie uns unsere kargen Vergünstigungen gestrichen hatten. Aber dann fiel
bei mir der Groschen - Calloway wollte Alma nicht in die Zelle lassen, weil sie
dann vielleicht den Vogel entdeckte. Und wenn sie ihn entdeckte, würde Aufseher
Smythe ihn konfiszieren.
    »Was willst du machen?«, fragte Smythe
Alma.
    Sie seufzte. »Ich werde mich nicht mit
ihm anlegen.«
    »So ist's recht«, jubelte Calloway.
»Endlich hast du kapiert, wer hier der Boss ist. Rahowa!«
    Kaum hatte er diese Abkürzung für Racial Holy War - Heiliger
Rassenkrieg - ausgestoßen, da fingen die Häftlinge im ganzen Sicherheitstrakt
an zu brüllen. In einem überwiegend weißen Bundesstaat wie New Hampshire hatte
die Aryan Brotherhood in den Gefängnissen das Sagen. Ihre Mitglieder
kontrollierten den Drogenhandel hinter Gittern, sie tätowierten sich gegenseitig
mit Kleeblättern und gezackten Blitzen und Hakenkreuzen. Wer in die Gang
aufgenommen werden wollte, musste jemanden umbringen, der für die Brotherhood
ein rotes Tuch war - einen Schwarzen, einen Juden, einen Homosexuellen.
    Der Krach wurde ohrenbetäubend. Alma
passierte meine Zelle, gefolgt von Smythe. Als sie an Shay vorbeigingen, rief
der dem Aufseher zu: »Sehen Sie nach, was drin ist.«
    »Ich weiß, was in Reece drin ist«, sagte
Smythe. »Über zwei Zentner Scheiße.«
    Als Alma und der Aufseher den Block
verlassen hatten, brüllte Calloway sich noch immer die Seele aus dem Leib.
»Verdammt noch mal«, zischte ich Shay zu. »Wenn die Calloways blöden Vogel
finden, stellen sie wieder sämtliche Zellen auf den Kopf! Willst du, dass sie
uns für zwei Wochen das Duschen streichen?«
    »Das hab ich nicht gemeint«, sagte Shay.
    Ich antwortete nicht. Statt dessen legte
ich mich auf mein Bett und stopfte mir noch mehr Klopapier in die Ohren. Und
trotzdem konnte ich hören, wie Calloway seine rassistischen Kampflieder sang.
Trotzdem konnte ich hören, wie Shay ein zweites Mal zu mir sagte, dass er nicht
den Vogel gemeint hatte./
     
    Als ich in derselben Nacht in Schweiß
gebadet und mit rasendem Herzklopfen aufwachte, redete Shay wieder mit sich
selbst. »Dann kommt das Laken drüber.“
    »Shay?«
    Ich holte ein dreieckiges Stück Metall
hervor, das ich mir auf einem Hofgang beschafft hatte und das ich als Spiegel
und Messer benutze, schob eine Hand unter die Zellentür und drehte den Spiegel
so, dass ich in Shays Zelle sehen konnte.
    Er lag auf dem Bett, die Augen
geschlossen und die Arme über der Brust verschränkt. Er atmete so flach, dass
seine Brust sich kaum hob und senkte. Ich hätte schwören können, dass ich die
Würmer in frisch umgegrabener Erde roch. Ich hörte das Pling, als die Schaufel
eines Totengräbers auf Steine traf.
    Shay übte.
    Ich hatte das auch schon getan.
Vielleicht nicht genauso wie er, aber ich hatte mir meine Beerdigung
vorgestellt. Wer kommen würde. Wer gut gekleidet wäre und wer etwas unsäglich
Scheußliches anhätte. Wer weinen würde. Wer nicht. Gott segne die Aufseher;
sie hatten Shay Bourne die Nachbarzelle von jemandem gegeben, der auch eine
Todesstrafe verbüßte.
     
    Als Shay zwei Wochen bei uns war, kamen
eines Morgens sechs Aufseher in aller Herrgottsfrühe in seine Zelle und
forderten ihn auf, sich auszuziehen. »Bücken«, hörte ich Whitaker sagen. »Beine
auseinander. Husten.«
    »Wo gehen wir hin?«
    »Krankenstation. Routineuntersuchung.«
    Ich

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