Das Herz meines Feindes
Nonne. Ganz wie eine alternde Jungfer. Du hast dir eine wahrhaft herkulische Aufgabe gestellt, wenn du die Hoffnung hegst, für mich noch einen Gatten zu finden.«
Sie hatte geglaubt, ihn damit zum Lachen zu bringen, aber Lord Barton schien völlig von diesem Thema in Anspruch genommen zu sein und drückte ihre Hand nur um so fester. »Es ist zu dumm«, sagte er langsam.
»Zu dumm?« fragte sie, da sie seine Worte nicht verstand.
Die Frage schien sein Blut in Wallung zu bringen.
»Die Sache mit Colchester. Zu dumm, dass deine eure Ver lobung nicht zu einer Heirat geführt hat.«
Einen Augenblick lang antwortete Lilliane nicht. Der Na me Co l chester ließ Unmengen beinahe vergessener Bilder vor ihrem geistigen Auge auftauchen. Es hatte eine Zeit ge geben, da sie albern gekichert hatte und errötet war, wenn der gutauss e hende junge Ritter, der vor so vielen Jahren für sie ausgewählt worden war, erwähnt wurde. Corbett of Col chester war groß und muskulös gewesen, dass jedes Mäd chen vor Freude erzitterte. Jede andere Frau im Schloss hatte sie beneidet. Aber das war vorher gewesen. Vor der großen Fehde. Vor den blutigen Kriegen, die die Häuser Orrick und Colchester in bittere Feinde verwandelt hatten. Heute war der Name Colchester wie ein Fluch, ein Name, den sie verab scheute. Diese Familie hatte ihren Kinderjahren die Un schuld geraubt. Und sie hatte ihren teuren Vetter Jarvis getö tet.
»Colchester?« Lilliane entwand sich dem Griff ihres Va ters und sah ihn vorwurfsvoll an. »Du wagst es, zu trauern, dass du ihn als Schwiegersohn verloren hast? Sind diese Bar baren aus Colchester nicht ein Fluch, der auf der Erde und insbesondere auf Windermere Fold lastet? Kannst du die fünf Jahre des Unheils vergessen, die sie über die Menschen auf Orrick gebracht haben? Kannst du vergessen, dass sie Jar vis ermordet haben?«
»Ich vergesse nichts«, antwortete er, und in seinen Augen glomm ein warnender Funke. »Jarvis stand mir ebenso nahe wie ein eigener Sohn. Aber als Herr von Orrick kann ich meinen persönlichen Gefühlen nicht gestatten, dem, was für meine Untergebenen das Beste ist, entgegenzustehen. Und es wäre das beste gewesen…«
»… wenn ein Großteil von ihnen bei der Geburt gestorben wäre!«
»Ist dies die blutrünstige Lektion, die man dir in der Abtei von Burgram beigebracht hat? Wenn ja, dann sei versichert, dass Mutter Mary Catherine einiges von mir zu hören be kommen wird. Ich habe ihr ein reines, unschuldiges Mäd chen geschickt, und sie schickt mir ein Kriegerweib zurück, das bereit ist, eine ganze Familie zu verfluchen und zuzuse hen, wie sie untergeht…«
»Du hast mich nicht zu ihr geschickt«, gab Lilliane zornig zurück. »Ich habe mich entschlossen, dorthin zu gehen. Und sie hat mich nicht zurückgeschickt, ich habe mich entschlos sen, zurückzukehren. Und wenn du daran denkst, mich an diesen Sprößling der Colchesters zu binden, versichere ich dir, dass ich nach Burgram Abbey flüchten und den Schleier nehmen werde.«
»Beruhige dich, Tochter. Beruhige dich. Es ist traurig, aber meine Überlegungen sind nur das, nichts weiter. Der junge Colchester ist vor ein paar Jahren unter die Kreuzritter gegangen. Ich weiß nicht einmal, ob er überhaupt noch lebt.« Er verstummte und starrte auf die Gesellschaft, die sich un ter ihnen versammelt hatte. »Dieser Corbett war ein stram mer Bursche. Ich möchte wetten, dass er sich im Orient ganz gut geschlagen hat. Er ist aus dem gleichen Holz geschnitzt, wie es seinerzeit Jarvis war.« Lord Barton hob seinen Kelch an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck, als seine Erinnerungen ihn zu überwältigen drohten. »Eine Heirat zwischen den Häusern Orrick und Colchester wäre von gro ßem Vorteil gewesen. Corbett wäre dir ein guter Mann ge wesen, und dieses Tal hätte letztlich doch noch seinen Frieden gefunden.«
Lilliane starrte auf ihren Teller hinab, aufgewühlt durch die gleichen Erinnerungen. »Aber statt dessen haben sie es vorgezogen, uns den Krieg zu erklären.«
»Sie glaubten, dass Lord Frayne auf mein Geheiß hin er mordet worden sei. Was hätten zwei loyale Söhne sonst tun sollen, als zu versuchen, den Tod ihres Vaters zu rächen? Wenn Jarvis im Kampf nicht gefallen wäre, würde der Krieg immer noch anda u ern.«
»Auge um Auge?«
»Es scheint so. Oh, nicht dass du mich jetzt mißverstehst. Wir haben nichts füreinander übrig, denn immer noch dür sten sie nach Rache. Jeder Mann aus Orrick, der den Grenz stein
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