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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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kein Wind weht ...
    Die Zitternde Ebene, wo Yasammez' Rüstung so rot glüht wie Schwertstahl in der Schmiede ...
    ... die Schreie rund um den Grabhügel des Riesen und die Schrecken, die die ersten Reiter auf dem Kamm des Blauwolfbergs erwarten ...
    All diese schrecklichen Momente stürmten auf ihn ein oder zumindest die Erinnerungen der Feuerblume an diese Momente, an all die Schlachten, in denen das Volk um sein Überleben gekämpft hatte, all die düsteren Martyrien, die zusammen die Lange Niederlage genannt wurden. Selbst mit geschlossenen Augen war Barrick von diesen Phantomen umringt, tausend verschiedenen Stimmen aus hundert verschiedenen Zeitaltern, allem, was die Feuerblume gesehen und gehört hatte und was jetzt durch ihn hindurchfegte wie ein Sturm von knisternden Funken.
    Wir haben immer gekämpft und immer verloren — auch wenn wir siegten ...
    Durch das alles schlängelte sich ein schwacher, dürrer Gedanke, den er aus der Wolke von Erinnerung und Klage kaum heraushören konnte — ein Hauch von staubtrockenem Humor.
Vielleicht sollten wir eines Tages versuchen zu siegen, indem wir verlieren ...
    Ynnir, Herr! Werdet Ihr bei mir bleiben?
    Doch die vertraute Stimme war schon wieder verstummt.
    Barricks Qar-Rüstung fühlte sich nicht schwerer an als eine zusätzliche Hautschicht, und der Lorbeerhelm saß ebenfalls sehr bequem. Am allerleichtesten trug sich jedoch sein eigenes Selbst, das nicht mehr stofflicher Natur schien — ein Bruchteil nur des erdenschweren Ganzen, die Flamme, nicht die Kerze. Barrick fühlte sich vollkommen furchtlos, ja sorglos: Sterben hieße nur, seinen Körper zu verlieren und davonzuschweben, weil all die Gedanken und Erinnerungen, die Barrick Eddon gewesen waren, zerstieben würden wie Pusteblumenflaum.
Und die Qar-Erinnerungen in mir, die Feuerblumenkönige ... würden die auch zerstieben?
    Saqri kam auf ihn zu, in ihrer weißblauen Kriegsrüstung. Sie musterte Barrick von Kopf bis Fuß, ohne etwas zu sagen, aber er kannte sie gut genug, um den Anflug von Unruhe zu erkennen — diese winzige, kaum wahrnehmbare Spur, die die Feuerblume nur deshalb auszumachen vermochte, weil sie generationenlange Erfahrung mit den Frauen aus Krummlings Linie hatte. »Das Ende der xixischen Marschkolonne, die auf dem Weg in die Tiefe ist, hat uns soeben passiert«, verkündete sie ruhig. »Sei bereit.«
    »Sie ist nicht wie Yasammez«, sagte eine tiefe, grollende Stimme neben ihm. »Sie tötet nicht gern, nicht mal, wenn sie muss.«
    Barrick wandte den Kopf und sah neben sich den gewaltigen Hammerfuß stehen — und nicht nur ihn, sondern die geisterhafte Schar aller Ettins, die die Hüter der Feuerblume je gekannt hatten, so viele Erinnerungen, dass sie, wenn Barrick sich nicht konzentrierte, sein Denken vernebelten. Der Herr der Ettins blickte ihn an, die glühenden Kohlen von Augen kaum sichtbar unter dem Helm, der sein mächtiges, hässliches Gesicht noch zusätzlich verschattete. »Ich werde auf dich aufpassen, Barrick von den Eddons, keine Angst.« Die Stimme der Kreatur war so tief, dass Barrick sie kaum verstand. Hammerfuß tätschelte seine Axt, ein monströses Ding mit einem Blatt, halb so groß wie ein Tisch. »Lass mir viel Platz, wenn ich meinen Züchtiger hier schwinge. Er ist ein kräftiger Bursche, braucht eine Menge Raum, wenn er unternehmungslustig wird.« Er streichelte die Axt. »Du wirst bald merken, Barrick Eddon, dass ich im Gegensatz zu Saqri Spaß daran habe, Menschen zu töten. Nimm's mir nicht übel.«
    »Ihr ... Ihr sprecht meine Sprache ... unser — wie nennt Ihr das, Sonnländisch? Ihr könnt unser Sonnländisch sehr gut.«
    »Hab deine Leute, offen gestanden, immer gejagt und gegessen«, gab Hammerfuß zu. »Dafür musste ich so nah bei ihnen leben, dass ich sie ganz gut kennengelernt habe.« Der Ettin schien jetzt nicht mehr zu scherzen. Er schüttelte den breiten Kopf. »Wer hätte je gedacht ...?«
    Darauf fiel Barrick so leicht nichts ein.
    Auf ein lautloses Signal von Saqri stürmten die Drags schließlich vorwärts: Fast lautlos eilten sie den unebenen Gang entlang. Hammerfuß setzte sich ebenfalls in Bewegung, und seine Schritte waren so schwer, dass Barrick die Erschütterung spürte. »Bleib bei mir, Mensch«, knurrte Hammerfuß. »Besser noch, bleib hinter mir. Und tu genau, was ich dir sage.«
    Die Feuerblumengeister sangen erregt in Barricks Kopf, die Drags gaben das Tempo vor, und kurz darauf barsten sie alle aus dem Gang hinaus in den breiteren

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