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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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von der Oberfläche hierherbegleitet hatten. Es war sogar ein
Mulasim
herausgekommen, um sie zu befragen, ein Offizier mit dem Emblem der Nackten.
    »Wenn sie zum Goldenen soll, bringen wir sie hin«, sagte der Offizier. »Oder vielmehr bringen wir sie zu den Leoparden, die sie zum zuständigen Minister bringen, der dann entscheidet, was weiter passiert.«
    »Aber
ich
muss ...«, setzte Gunis an.
    »Bei allem Respekt, Bruder«, sagte der Offizier, »Ihr müsst gar nichts, außer tun, was man Euch sagt. Wenn die Gefangene so wichtig ist, warum habt Ihr sie dann ohne Geleitschreiben Eures Vorgesetzten hergebracht?«
    »Geleitschreiben?« Schon die bloße Idee schien Gunis zu schockieren. »Wollt Ihr sagen, ich soll sie wieder zum Oberfeldpriester zurückbringen?«
    »Ich will gar nichts sagen.« Der Mulasim war ein vierschrötiger, ergrauter Mann mit der kritischen Miene eines Pfandleihers und den Armen eines Ringers. Jetzt baute er sich direkt vor dem jungen Priester auf; er war zwar nicht größer als dieser, aber um einiges kräftiger. »Ich sage nur, dass das ein Problem ist und dass Euer Erscheinen mir das Leben nicht gerade erleichtert.« Er sah sich finster um. »Ich brauche mindestens zwei Mann, um sie weiterzubringen, und ich kann bei den Göttern keinen einzigen entbehren.«
    »Aber ich habe doch zwei Wachen ...!«
    Der Offizier lachte. »Die da?«, sagte er und zeigte auf ihre beiden Begleitsoldaten. »Diese beiden Maulhelden? Die würden Euch viel nützen, wenn Ihr einer Horde von diesen Yisti-Teufeln in die Arme lauft, die plötzlich aus dem Erdboden auftauchen! Nein, ihr zwei geht jetzt schleunigst zurück und übernehmt wieder eure wichtige Aufgabe, die Latrinen zu bewachen. Los jetzt, oder wollt ihr auch in Eisen gelegt werden wie die Kleine da?«
    Die beiden Soldaten brauchten keine zweite Warnung. Sie waren schon ein Dutzend Schritte entfernt, als Gunis schließlich die Sprache wiederfand. »Und ich? Ich ... mir wurde das Mädchen doch anvertraut. Ich muss sie doch begleiten.«
    »Anvertraut?« Der Offizier blickte auf Qinnitan, dann auf den Mönch. »Von Mädchenhändlern?« Er wandte sich an Qinnitan. »Sprichst du unsere Sprache, Kind?«
    Qinnitan war so überrascht, dass sie zuerst gar nichts herausbekam. Dann brach es aus ihr hervor: »Ja, ich bin Xixierin. Bitte, schickt mich nicht zum Goldenen! Ich wurde irrtümlich aus dem Bienentempel ...«
    Der Offizier funkelte sie grimmig an. »Du sollst mir eine Frage beantworten, nicht sämtliche Strophen des Morgengebets singen. Nicht in tausend Millionen Jahren würde ich mich in irgendetwas einmischen, das der Goldene selbst oder zumindest seine engste Umgebung zu entscheiden hat.« Er blickte sich um und musterte seine Männer. »Hm, wen soll ich schicken ...?«
    Jemand schrie, dann folgte ein lautes Krachen und Knirschen. Alle um Qinnitan fuhren herum. Ein mit Steinen überladener Karren war auf der Ebene unmittelbar über ihnen mit einem Rad vom Weg abgekommen und hing jetzt halb über die Kante. Im nächsten Moment neigte er sich, und mehrere Steinbrocken fielen heraus. Die hinaufstarrenden Männer sprangen hastig beiseite. Der Karren wackelte, kippte dann samt Ladung über die Kante und zerschellte auf dem steinigen Grund: Steinbrocken sprangen in alle Richtungen.
    Qinnitan zögerte nicht: Sie rannte los, schüttelte im Laufen die losen Handeisen ab. Zum Nachdenken blieb ihr keine Zeit: Sie spurtete einfach zum nächstbesten Gang, der von der großen Höhlenkammer abging. Spitze Steine bohrten sich durch die dünnen Markenländerschuhe, die ihr die Bauersfrau gegeben hatte.
    Fackeln sprenkelten das Dunkel, Männergesichter wandten sich ihr zu; manche hatten aufgerissene Münder wie Dämonmasken — sie brüllten Fragen. Qinnitan wusste, ihre einzige Chance war es, so weit zu rennen, bis sie allen Augenzeugen entronnen war, und sich dann zu verstecken.
    Ein Soldat griff nach ihr, und obwohl er sie nicht festhalten konnte, brachte sie der kurze Ruck ins Stolpern. Während sie sich noch zu fangen versuchte, stellte ihr jemand anders ein Bein, und sie schlug hin.
    »Was ist das denn?«, fragte eine Stimme mit einem harten Wüstenakzent, als sie wimmernd auf dem harten Steinboden lag und nach Luft rang. »Eine Spionin?«
    Sie machte keinen Versuch aufzustehen oder war sich dessen zumindest nicht bewusst. Im nächsten Moment traf etwas Hartes ihren Hinterkopf und ließ alle Gedanken erlöschen.
    Es waren die Bienen. Sie kannte dieses Summen, hatte es

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