Das Herz
solche Falle zu tappen? Einfach ins Verderben zu reiten, nur auf das Wort einer Kreatur aus einem Ammenmärchen hin? Das Wort dieser ... Dachratte?«
»Dachling«, sagte Giebelgaup, ganz gekränkte Würde. »Euresgleichen, langer Mann, kennt meinesgleichen gut genug — ihr pflegtet Schüsselchen mit Milch und Brot für uns hinauszustellen, um unsre Gunst euch zu erbitten und Segen für das Haus.«
»Die Nacht-Männlein aus den Geschichten Eurer Kinderzeit sind zu Besuch gekommen, Miron!« Der Prinz lachte, aber mehr über seinen erbosten Offizier als über den winzigen Boten. »Vielleicht solltet Ihr Eure Schuhe durchsehen, ob welche geflickt werden müssen.«
Aber so leicht war Graf Helkis nicht umzustimmen. »Versteht Ihr denn nicht, Hoheit? Das sind Blaukappen. Wenn Ihr schon von alten Geschichten sprecht — dies sind Kreaturen des Zwielichts, der Schatten. Wir dürfen ihnen nicht trauen.«
»Wenn Ihr Euch erinnert«, sagte Briony, »haben wir doch gesehen, gegen wen dieser kleine Herr und seine Freunde kämpfen. Sollen wir denselben Fehler noch einmal machen — Verbündete angreifen und Feinden helfen?«
Der kleine Mann schien verdutzt. Briony erklärte ihm leise, wovon sie gesprochen hatte.
»Das muss Akutrirs Schar gewesen sein«, sagte er. »Die Fürstin Stachelschwein hat sie entsandt, doch als ich aufbrach, waren sie noch nicht zurück. Wir wussten nichts von eurem Aufeinandertreffen.«
Eneas zog die Augenbrauen zusammen; er hatte es gehört. »Von
dieser
Schmach reden wir später weiter. Jetzt müssen wir erst einmal genau erfahren, was uns Eure Herrin zu sagen hat. Königin Saqri, richtig? Ist sie die, die im Norden Angst und Schrecken verbreitet hat — die dunkle Fürstin?«
Giebelgaup schüttelte den Kopf »Nein, doch ist sie selbger Fürstin Tochter — vielleicht auch Enkeltochter ... bin mir nicht gewiss. Doch jene dunkle Fürstin ist zurückgetreten, und Saqri führt nunmehr die Qar und lässt Euch sagen, wenn eilig Ihr nach Südmarkstadt am Brennsbuchtufer reitet, könnt's sein, dass Ihr dort etwas Lohnendes erblickt.« Er wandte sich an Briony. »Gilt ebenso für Euch, Prinzessin, wenn auch die Königin nicht ausdrücklich an Euch die Botschaft adressiert. Beim Höchsten Punkt, ihr Eddons wart wahrhaftig lange fort aus Südmark!«
Sie nickte. »Das ist wahr.«
»Was könnt Ihr uns noch sagen?«, fragte Eneas. »Was genau werden wir am Ufer der Brennsbucht vorfinden, außer einem riesigen xixischen Heerlager?«
Giebelgaup bewegte sich ein wenig, um auf Brionys nicht allzu ruhiger Hand das Gleichgewicht zu halten. »Das weiß ich selbst nicht, Prinz. Ich sag Euch nur, was mir zu sagen aufgetragen — mehr ist mir nicht bekannt. Doch schickt Euch Kön'gin Saqri diese Botschaft, weil sie als Einz'ge unter uns von Euerm Hiersein wusste, deswegen, dünkt mich, tut Ihr gut daran, auf sie zu hören.«
Graf Helkis schnaubte. »Ein Männchen von der Größe eines Schnurrhaars will, dass wir seiner Zwielichtlerherrin trauen. Wie könnte das ein anderes als ein gutes Ende nehmen?«
»Eure Ironie wurde gebührend gewürdigt, Helkis.« Eneas sah ihn unwirsch an. »Aber sie hilft mir nicht zu entscheiden, was wir jetzt tun.«
»Ah, das erinnert mich an einen weiteren Bestandteil meiner Botschaft«, sagte der kleine Giebelgaup. »Ihr sollt bei Sonnenuntergang auf jenen Hügeln an der Bucht sein.«
Erst als Barrick sich durch ein Dutzend Kämpferknäuel geschlagen und sein Schwert mehrfach mit Blut getränkt hatte — zuerst mit dem eines gestürzten Xixiers, der ihn vom Boden aus zu erstechen versuchte, dann mit dem eines anderen Soldaten, der überrascht war, dass sein Speerstoß nicht getroffen hatte, und keine Chance bekam, noch einmal zuzustoßen —, fiel er aus seinem rauschhaften Zustand und fühlte sich allmählich wieder wie ein normaler sterblicher Prinz. Die Männer des Autarchen wurden jetzt von den Qar ohne große Gegenwehr zurückgedrängt, also ließ er die Schlacht an sich vorbeistrudeln, während er, an eine Wand gelehnt, wieder Luft in seine brennenden Lungen zu pumpen versuchte. Jeder Muskel seines Körpers pochte. Er erinnerte sich an jeden Moment des Geschehens, aber gleichzeitig schien das alles so fern, als wäre es jemand anderem passiert.
Selbst wenn ich sie zu unterdrücken vermag, sind die Feuerblumenstimmen doch zu stark, als dass ich sie lange zum Schweigen bringen könnte.
Aber Ynnirs Worte hatten ihm eine Ahnung vermittelt, einen ersten Vorgeschmack darauf, wie
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