Das Herz
ihrer Pfeife tanzen, sondern auch Nitrit und seine Männer. Wisst Ihr noch, wie vor ein paar Jahren ein Teil der Zunfthalle eingestürzt ist und die Männer Ketten gebildet und die ganze erste Nacht lang Steine von Hand zu Hand weitergereicht haben? So geht es dort beim Lager der Frauen zu. Zweifelt bloß nie daran, dass Frauen schuften können, Antimon.«
»Daran habe ich noch nie gezweifelt«, sagte der Mönch. »Ich stamme aus einer großen Familie. Unsere Mutter musste neun Mäuler stopfen, hatte aber immer noch eine Hand frei, um mir eine Ohrfeige zu verpassen, wenn sie der Meinung war, dass ich mich danebenbenahm.«
Chert lächelte. »Tja dann. Ich habe jetzt lange genug hier gesessen wie eine Feuersteinknolle im Kalksteinbett. Wir sollten uns lieber vergewissern, dass hier wirklich alles richtig abgesichert ist, während ich überlege, was ich als Nächstes tun soll. Wo ist Nitrit?« Wenn auch Antimon Cherts verlängerter Arm war, war doch Nitrit, Salpeters und Sulphurs Neffe, der Vorarbeiter. »Und wo steckt eigentlich Chaven?«
Antimon sah ihn merkwürdig an. »Wie meint Ihr das? Ist Chaven nicht wieder bei Euch und den Frauen in der Pulverfabrik?«
»Nein.« Chert wurde es eng um die Brust. »Natürlich nicht. Er hat gesagt, er wolle hierher, um Euch nach besten Kräften zu helfen — er sei so groß und ungeschickt und würde all diesen flinken kleinen Frauen nur im Weg herumstehen. Ihr wisst ja, wie er redet. Ist er hier nicht angekommen?«
»Nein.« Antimon schüttelte nachdrücklich den Kopf »Wir haben hier nicht mal hundert Männer, alles Zunftleute im Ruhestand. Wir nehmen unsere Mahlzeiten gemeinsam ein und gehen jede Nacht zum Schlafen in den Tempel zurück. Ich habe Chaven weder hier noch dort gesehen, und übersehen kann man ihn ja kaum, weil er doppelt so groß ist wie wir alle. Er ist weg, seit die Xixier in unsere Gänge eingedrungen sind.«
»Bei den Alten der Erde«, stöhnte Chert. »Er irrt irgendwo in den Tiefen herum, wo überall die Soldaten des Autarchen sind und diese schrecklichen Scherenmonster und ... und ...«
Plötzlich kam ihm ein noch schrecklicherer Gedanke: Chaven benahm sich seltsam, seit er nach Funderlingsstadt gekommen war — vielleicht hatte ihn die Besessenheit von diesem Spiegel ja zum Verräter gemacht. Vielleicht hat sich der Arzt dem einzigen Mann verkauft, der ihm helfen konnte, den Spiegel zurückzubekommen, dieses Ding, nach dem er gierte wie ein Säufer nach Moosbräu. Vielleicht überbrachte er in diesem Moment Informationen über Vansens und Zinnobers Pläne — und sogar über Cherts abwegiges Vorhaben — ihrem ärgsten Feind, dem Autarchen von Xis »Das würde er nicht tun ...«, sagte Chert leise, hauptsächlich an sich selbst gerichtet.
»Was habt Ihr gesagt, Meister Blauquarz?«, fragte Antimon. »Ihr seht unwohl aus. Soll ich Euch etwas zu trinken holen?«
»Nein, nein.« Chert hatte plötzlich Gänsehaut. »Nicht für mich. Ich glaube nicht, dass ich irgendetwas bei mir behalten würde.«
»Die Sterblichen aus dem Süden werden im Morgengrauen von den Bergen herabkommen«, sagte Saqri, als sie wieder in Barricks Zelt trat. »Sie sind viele, haben Geschütze und fürchten ihren Gebieter zu sehr, um nicht wiederzukommen. Die meiste Angst haben sie davor, was er mit ihnen macht, falls er dort unten siegt und sie hier oben alles verloren haben.«
Barrick versuchte sich von dem Feldbett zu erheben, aber der Gang an den Strand hinunter war zu viel für ihn gewesen. Er entschied sich fürs Sitzen, da er sich dabei nicht ganz so invalide fühlte. »Was heißt das, Saqri? Dass wir wieder gegen sie kämpfen?«
»Es heißt, dass wir dann nicht mehr hier sein sollten. Sonst schlagen wir nur eine sinnlose Schlacht, bei der es um nichts Wichtigeres als die Ehre der Xixier geht, während die eigentliche Gefahr unter der Erde lauert. Wie sieht es mit deiner Kraft aus?«
»Ich kann gehen, wenn ich langsam mache.« Er hielt verwirrt inne. »Meine Schwester. Das war meine Schwester.«
»Ja, ich habe sie gesehen.«
Er erinnerte sich nicht, was er einmal gefühlt hatte, das war das Problem, aber er wusste, er fühlte es nicht mehr. »Sie war meinetwegen unglücklich. Warum?«
»Vielleicht, weil du nicht mehr das Kind bist, das sie in Erinnerung hat, und ihr das Angst macht. Vielleicht, weil du inzwischen neue und größere Aufgaben gefunden oder irgendwelche anderen Veränderungen durchgemacht hast, die sie nicht versteht.« Saqri war so betont
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