Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
rief Eneas. »Wir sind Verbündete! Lasst uns ein!«
    »Verbündete! Das glaubt Ihr doch selbst nicht!«, rief der Mann zurück. »Vom Wind hergeweht und genau vor dem alten Eidechsenwurm gelandet, hm? Ihr glaubt, wir lassen Euch rein? Dann seid Ihr ein Irrer, das seid Ihr!«
    »Ein Irrer
und
eine Irre!«, rief der Prinz hinauf »Hier ist einer, der sich für den rechtmäßigen Thronerben von Syan hält, und hier ist noch eine andere, die beansprucht, die Herrin dieser Burg zu sein!«
    »Bei allen Göttern!«, flüsterte Briony entsetzt. »Eneas, seid Ihr verrückt? Das sind Tollys Leute.«
    »Vielleicht«, sagte er munter. »Aber vielleicht auch nicht. Wir werden es herausfinden.«
    »Was soll der Unsinn, Mann?«, rief der Soldat von der Mauer. »Herrin? Deine Herrin ist wohl eher eine Dirne, und du bist ganz gewiss ein betrunkener Narr, Fischer! Scher dich in dein Boot und verschwinde, bevor wir dich und deine Herrin mit Pfeilen spicken!«
    Einer der syanesischen Krieger hatte bereits einen Pfeil eingelegt und spannte gerade seinen Bogen, doch Eneas hob die Hand. »Lasst ihn«, sagte er leise.
    »Aber Hoheit!«, protestierte der Soldat. »Habt Ihr nicht gehört ...?«
    »Doch, habe ich.« Eneas hob die Stimme. »Du bist hier der, der den Atem des Todesgottes im Nacken spürt, Bursche. Ich bin Eneas, Prinz von Syan. Öffnet das Tor! Wir sind Verbündete des wahren Königs!« Er drehte sich um und sagte leise zu Briony: »Das dürfte ein paar interessante Diskussionen auslösen!«
    Weitere Köpfe erschienen über dem mächtigen Tor. Mehrere Männer reckten Fackeln empor und spähten ins Dunkel hinab. Briony konnte nur den Atem anhalten und beten, dass Zoria sie weiter beschützen möge. Das Torhaus über dem Tor und die gewaltigen Türme zu beiden Seiten beherbergten wohl mindestens eine Fünfzigschaft Wachen. Eneas' Männer mochten ja weit in der Überzahl sein, hatten aber keine Deckung und keine Rückzugsmöglichkeit, wenn die Bogenschützen auf sie schossen. Die Skimmer waren weg, und eine andere Möglichkeit, den schmalen Dammwegstummel vor dem Tor zu verlassen, gab es nicht.
    »Das
ist
der syanesische Prinz!«, rief ein Mann überm Tor. »Ich habe sein Banner gesehen! Das ist er!«
    »Lügner!«, schrie ein anderer. »Oder Verräter!«
    »Öffnet das Tor!«, rief jemand. »Lasst sie rein! Sie haben dem Autarchen seine Schiffe versenkt!«
    »Den ersten, der sich der Winde nähert, töte ich!«, rief eine Stimme, dann schrien plötzlich viele Stimmen durcheinander, und selbst die Reihe der Silhouetten an der Brustwehr überm Tor löste sich in Chaos auf Zu Brionys Entsetzen flog eine Gestalt von der zehn Mannslängen hohen Mauer herab und prallte mit einem grässlichen dumpfen Schlag vor Eneas und seinen Soldaten auf.
    Flammenschein flackerte auf der Torhausmauer und in den schmalen Schießscharten der Türme zu beiden Seiten auf: Männer, die mit Fackeln umherrannten. Eine der großen Glocken des Basiliskentors setzte zum Alarmgeläut an und verstummte sogleich wieder, als hätte denjenigen, der sie läutete, ein jähes, gewaltsames Ende ereilt. Auch auf benachbarten Mauerabschnitten tauchten jetzt Fackeln auf, da der Tumult am Haupttor andere Wachposten herbeirief.
    »Abwehrformation!«, befahl Eneas seinen Männern. »Schilde hoch — die Pfeile können jeden Moment fliegen!«
    Briony hob nur zu bereitwillig ihren Schild über den Kopf, wenn auch binnen kurzem ihre Arme so schrecklich schmerzten, dass sie sich fast schon lieber erschießen lassen wollte. Einige Pfeile schwirrten tatsächlich herab, aber mehr oder minder ungezielt und auch nicht vom Torhaus: Offenbar schossen ein paar verängstigte Soldaten irgendwo auf der Mauer einfach blind ins Dunkel.
    Schließlich wurde es still, dann ging das mächtige Tor knarrend auf. Eneas hielt seine Männer zurück, als sie losstürmen wollten. Das Fallgitter zitterte und hob sich, und eine Handvoll Wachen mit Fackeln erschien in dem kopfsteingepflasterten Durchgang, der breit genug war für ein Dutzend Reiter.
    »Seid Ihr das wirklich, Prinz Eneas?«, fragte einer der Fackelträger, trat einen hinkenden Schritt vor und hob die Fackel, die im Seewind, der durchs offene Tor fuhr, wild flackerte.
    »Ich bin's. Kenne ich Euch?« Eneas ging auf den Mann zu. Briony beeilte sich, an seiner Seite zu bleiben — im Moment schien sein Selbstvertrauen ein besserer Schutz als jeder syanesische Schild.
    »Nein, Herr. Sicher nicht. Aber wir aufrechten Südmärker sind froh, Euch

Weitere Kostenlose Bücher