Das Herz
emotionslos, dass es fast schon bemüht wirkte. »Wer weiß?«
»Es beunruhigt mich, und ich weiß nicht warum. Ich fühle mich, als hätte ich etwas Wichtiges verloren. Irgendetwas zurückgelassen ...«
Die minimal herabgezogenen Mundwinkel drückten leise Missbilligung aus. »Verschwende deine Gedanken nicht darauf, Barrick Eddon. Wir haben mehr als genug zu tun. Die Südländer haben einen großen Vorsprung — tatsächlich haben sie schon fast den tiefsten Ort erreicht, die Letzte Stunde des Ahnherrn.«
Er bemühte sich, die Stimmung abzuschütteln, in die ihn der Anblick seiner Schwester versetzt hatte. Was zählte das schon, jetzt, da die letzten Augenblicke des Volkes nahten? »Aber es scheint so hoffnungslos — Ihr habt doch gesagt, dass das Ritual, der Zauber, oder was auch immer der Autarch Finsteres plant, morgen stattfinden soll ...«
»Gleich nach Mitternacht«, sagte Saqri. »Wenn das Jahr zu sterben beginnt.«
»Wie sollen wir ihn denn noch aufhalten? Er hat Tausende von Männern dort unten in den Höhlen. Ihr habt unsere einzigen Verbündeten, meine Schwester und diese Syanesen, fortgeschickt, damit sie in der Burg gegen andere Sterbliche kämpfen. Warum? Welche Chance haben wir jetzt noch?«
»Keine natürlich.« Noch immer diese emotionslose Maske. »Aber es gibt viele andere wichtige Dinge, die uns beschäftigen sollten. Ich zum Beispiel muss mich entscheiden, was ich mit meinem Tod anfange.«
Einen Augenblick dachte er, er hätte sich verhört. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er fragte: »Eurem ... Tod?«
»Es ist schwer zu erklären, aber ich glaube, beim Tod der halben Feuerblume wird nicht wenig Energie freigesetzt werden. Vielleicht nicht so viel, dass es etwas am Ausgang eines so ungleichen Kampfes ändern würde, aber womöglich doch immerhin genug, um die Pläne des Autarchen irgendwie zu durchkreuzen. Doch wenn ich nicht da bin, um diese Energie einzusetzen, nützt mein Tod nichts.«
Er schluckte. »Und ich ...? Habe ich das auch zu geben, diese ... Todesenergie?«
Sie machte die Gebärde
Das Buch ist geschlossen,
das Qar-Äquivalent eines Schulterzuckens. »Das, wovon ich spreche, ist noch nie geschehen. Immer, wenn einer meiner Vorfahren in einer Schlacht fiel, stand ein Erbe bereitet, die Feuerblume entgegenzunehmen. Aber jetzt — wer weiß? Ich sterbe ohne lebende Nachkommen. Was dich betrifft ...« Saqri zuckte die Achseln. »Von einem wie dir hat noch niemand gehört, weder die Feuerblume noch die von der Tiefen Bibliothek.« Ihr Lächeln sah aus wie das Zähnefletschen eines Wolfs. »Trotzdem würde ich dir raten, dein Leben auch nicht billig zu verkaufen.«
Er nickte und wischte die diffuse Beunruhigung weg, die die Begegnung mit seiner Schwester hinterlassen hatte. »Also werden wir kämpfen. Und so gut wie sicher sterben.« Es schien so einfach und so unumstößlich — aber auch so erschreckend. »Ohne zu wissen, ob wir gewonnen oder verloren haben. Ohne zu wissen, was mit Qinnitan passiert ist.«
»Es ist möglich, dass wir dein Südländermädchen vor dem Ende finden.« Saqri schien dieses Anliegen nicht ganz zu billigen. »Ansonsten werden wir natürlich verlieren — das ist sicher. Auf unserer ganzen Welt gibt es nicht mehr genug Qar- ...
Magie,
wie ihr es nennen würdet, um uns zu retten. Aber wir beide haben noch Aufgaben zu erfüllen. Ob nun zum Guten oder zum Schlechten, mein Gemahl hat dich erwählt, die Feuerblume der Könige in diese letzte Schlacht zu tragen. Deshalb habe ich dir die Rüstung gegeben, die einst meinem Sohn Janniya gehörte. Sie hat ihn nicht bewahrt. Er starb hier in Südmark durch die Hand deines Vorfahren, aber für mich war er edler und schöner als die Götter selbst.« Sie legte ihre Hand auf seine. »Wirst du an meiner Seite kämpfen, Barrick Eddon?«
Barrick fühlte sich seltsam leer, wie ein feuergereinigtes Tongefäß. Alles, worum er sich je gesorgt, woran er je gehangen hatte, schien jetzt verschwunden; er konnte sich kaum noch daran erinnern.
Er nickte langsam. »Ja, ich werde an Eurer Seite kämpfen, Saqri. Ihr seid jetzt alles, was ich an Familie habe. Und wenn der Moment kommt, werde ich auch an Eurer Seite sterben, so die Götter es mir gewähren.« Er bemühte sich zu lächeln, aber das war inzwischen so ungewohnt. »Schließlich wird das ein besseres Ende, als ich mir je erhofft habe.«
DRITTER TEIL - DIE EULE
29
Ein kleiner Mann aus Stein
»Nach über einem Jahr erreichten sie die trutzige Burg,
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