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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schritte vor, was die anderen zwang, sich an die Gangwände zu drücken. Die Ränder seines mächtigen Schilds waren schartig und gekerbt und ebenso sein Helm, wenn auch seine Augen unter dem Visier noch immer funkelten. Seine rauhe Haut glänzte von dunklem Blut aus einem guten Dutzend tiefer Wunden. »Nicht der Rede wert, meine Königin.«
    »An Euch und Eurer Sippe ist es jetzt, diesen Eingang zu halten. Wir können nicht tun, was wir tun müssen, wenn die Südländer hinter uns sind. Ich brauche Zeit, Hammerfuß, Fürst der Tiefen.«
    »Tochter der Ersten Blume, meine Söhne und ich werden Euch so viel Zeit verschaffen, wie unser letzter Atem zu erkaufen vermag«, sagte er. »Kommt, Tieflinge!«, brüllte er, und mehrere mächtige Ettins eilten zu ihm, Schaufelschwinger und ein halbes Dutzend weitere; im Nu hatten sie den Platz von Yasammez' Garden eingenommen, und ihre riesigen Körper füllten den Tunneleingang, als hätte eine urzeitliche Gesteinslawine sie dort hingespült. »Geht jetzt«, grollte Hammerfuß, und selbst seine Gedanken waren so tief und stark, dass sie Barricks Schädelknochen erbeben ließen.
    Saqri wandte sich ab. Ihre Augen waren trocken. »Vorwärts«, war alles, was sie zu den übrigen sagte.
    Barrick drehte sich zu den Ettins um. Hammerfuß schärfte gerade seine gewaltige Axt an einem Stein. Er sah Barrick und hob einen mächtigen Zeigefinger zu einer Art militärischem Gruß.
    »Erhalte das Leben der Königin, so lange du kannst, Menschenkind«, grollte der Riese. »Lass unseren Tod nicht umsonst sein!«
    Barrick drehte sich wieder um und folgte den übrigen Qar hinab in die heißen Tiefen.

34

Heimkehr
    »Der verräterische Diener Moros hatte sich mit dem weißen Pferd davongemacht ... Der Waisenknabe musste den ganzen Weg zurück nach Syan (wie es heute heißt) laufen und dabei die Eierschale mit dem Sonnenstück in der Hand tragen ...«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    Mittsommerabend war vorüber, und die Sonne des schicksalhaften Mittsommertags stand bereits hoch am Himmel, doch die Burg war noch immer nicht in ihrer Hand, und die Götter allein wussten, was drunten in den Tiefen vor sich ging.
    Briony und Eneas schleusten die restlichen Tempelhunde rasch auf Cherts Geheimweg in die Hauptburg und führten sie im Laufschritt durch die Straßen hinterm Rabentor, die völlig leer waren, seit die Kanonen wieder zu feuern begonnen hatten. Briony rechnete jederzeit mit einem plötzlichen Angriff vom Thronsaal her, aber das ramponierte Gebäude lag genauso still da wie der riesige Friedhof daneben. War sich Hendon Tolly wirklich so sicher, dass er den Palast gegen jede anrückende Streitmacht verteidigen konnte? Oder wollte er Brionys Untertanen als Geiseln benutzen, um sie so lange hinzuhalten, bis er entkommen konnte? Dass eine Eddon mit den syanesischen Soldaten ritt, wusste Hendon Tolly, da war sich Briony sicher. Ihm musste klar sein, dass seine Herrschaft am Ende war, trotzdem wartete er ab, bis die Würfel endgültig gefallen waren. Sie hatte verschiedenste Varianten durchgespielt, wie diese Konfrontation verlaufen könnte, von der pathetischen Torheit, den Thronräuber zum Zweikampf zu fordern, bis hin zur Möglichkeit, ihn einfach mit Pfeilen zu durchsieben, sobald er sich blicken ließ, und sei es unter einer Verhandlungsflagge. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto mehr zweifelte sie daran, dass sie sich beherrschen könnte, wenn sie Hendon vor sich hätte. Sein selbstgefälliges Grinsen hatte sie monatelang im Traum verfolgt.
    Briony, Eneas und die Tempelhunde, die jetzt durch südmärkische Soldaten verstärkt wurden, überquerten den Rand des äußeren Palastgartens und machten an dem kleinen, nahezu ausgetrockneten See halt, um die gegnerischen Verteidigungsvorkehrungen zu begutachten. Es war seltsam, den königlichen Palast für den Krieg gerüstet zu sehen — er wirkte fast schon mitleiderregend, wie ein betagter Edelmann, der sich noch einmal in seine Rüstung zwängen musste, obwohl er über dieses Alter längst hinaus war. Von den großen Rasenflächen und Gartenanlagen war nur nackte, aufgerissene Erde übrig; im unteren Stockwerk waren die Fenster mit Brettern und aufgeschichteten Steinen verrammelt, und in den Ecktürmen des gewaltigen, quadratischen Gebäudes hatte man Kanonen postiert. Briony fragte sich, wie lange die Geschütze noch schweigen würden. Von Eneas' Soldaten waren noch einige hundert

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