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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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für uns, die Menschen. Deine Leute vermehren sich seit langem stärker als wir. Seit die Götter weg sind, haben sie keine natürlichen Feinde mehr . . .
    Er hatte keine Ahnung, was sie meinte.
Aber was tun wir jetzt?
    Wir halten aus.
Es waren keine Worte, sondern ein Gefühl: das ganze unendliche Leiden der Qar und die ganze unendliche Sturheit der Qar, komprimiert zu einem einzigen Ausdruck resignierter Hartnäckigkeit.
Aber vergiss nicht, wir brauchen nicht alle diese Männer zu schlagen; wir müssen nur durch diese Kaverne in den gegenüberliegenden Gang gelangen. Dann sollen sie ruhig weiter durch die Gänge krabbeln wie Ameisen, während wir vom Himmel auf ihre Anführer herabfallen!
    Sie ist verrückt,
dachte Barrick, während er um sein Leben kämpfte.
Dieser Ort hat sie in den Wahnsinn getrieben.
Seine Einsamkeit, die so sehr Teil von ihm war, dass er sie kaum noch wahrnahm, stieg in ihm hoch und drohte ihn zu ersticken. Nur die drängenden Stimmen der Feuerblume erinnerten ihn daran, dass das Leben weiterging — ein Leben, dem zwei auf ihn zustürmende Xixier ein Ende machen wollten.
    Haifischflosse.
Die Attacke mit der Parierstange abfangen. Drehen und mit beidhändigem Schwertschwung den einen Mann lange genug zurücktreiben, um dem anderen den Armschild ins Gesicht zu rammen. Dolch durch die Kehle ziehen. Drehen und parieren.
    Shaso wäre begeistert,
dachte er.
Hoffnungslose Unterzahl. Nur die Wahl, zu kämpfen oder zu sterben. Und keine Zeit zu debattieren ...
    Er überließ sich wieder dem Tanz. Was blieb ihm schon anderes übrig? Mehrere xixische Fackeln waren zu Boden gefallen, und die Schatten im Gang wurden größer und tiefer.
    Bald schon,
dachte Barrick,
werden wir in völliger Finsternis kämpfen, wie Tote, die sich im Grab aufbäumen ...

    Utta hatte Mühe, die gebrechliche alte Frau festzuhalten. So energisch kämpfte Merolanna gegen irgendetwas in ihrem Traum an, dass sie die Zorienschwester fast von sich schleuderte. »Nein nein nein ...!«, stöhnte die Herzogin, aber es kam so verwaschen heraus, dass es mehr wie ein Tierlaut klang denn wie die Stimme einer würdigen alten Edelfrau. »Aufhören, nicht hört auf ...!«
    »Merolanna!« Utta beugte sich dicht an die Herzogin heran, damit diese sie selbst in der Tiefe dessen, was sie gefangen hielt, hörte. »Merolanna! Ihr habt einen Alptraum! Wacht auf!«
    »Nicht! Ihr könnt ihm nicht trauen ... er wird ...« Ihre Stimme verlor sich. Sie saß jetzt zusammengesunken im Bett, die Augen geschlossen, als lauschte sie etwas Fernem, aber Wichtigem. Utta nutzte die Gelegenheit, ihr die Decke wieder über die bleichen Beine zu ziehen. »Nicht ...!«, sagte die alte Frau wieder, diesmal jedoch im verwirrten Ton von jemandem, der langsam zu sich kommt.
    »Es ist alles gut.« Utta ließ sie los, richtete sich auf und nahm Merolannas kalte Hand. »Ihr habt schlecht geträumt, Herzogin. Wacht auf, es ist alles in Ordnung.«
    »Ist es nicht.« Merolannas Lider öffneten sich flatternd. Sie fixierte Utta mit einem Blick, der zwar furchterfüllt, aber kein bisschen benebelt war. »Nichts ist in Ordnung. Er will sie holen.«
    »Er? Sie holen ...?« Utta schüttelte den Kopf. »Es war nur ein schlechter Traum, meine Liebe. Glaubt mir. Ihr habt ausgekeilt wie ein wütendes Pferd.« Sie fasste sich an die Wange, die jetzt zu schmerzen begann. »Und auch ganz schön mit den Ellbogen um Euch geschlagen.«
    »Tut mir leid.« Aber Merolanna sah aus, als wäre Uttas schmerzende Wange im Moment ihre letzte Sorge. »Es war ... es war nicht nur ein Traum. Es war viel zu real. Das haben mir die Götter gesandt.«
    Utta atmete tief durch. »Wollt Ihr es mir erzählen?«
    »Ich ... ich weiß nicht, ob ich es kann. Es war so schrecklich, daran erinnere ich mich am deutlichsten.«
    Utta konnte nicht umhin zu bemerken, dass die Herzogin besser aussah als seit Wochen; vielleicht hatte das Wiederaufflammen der Kämpfe ja ihre Lebensgeister gestärkt. Utta hatte das schon öfter bei alten Frauen erlebt, die bereits im Sterben zu liegen schienen, dann aber auf einen Konflikt reagierten — keinen Krieg, aber etwas anderes, Familienstreit oder eine Auseinandersetzung um Geld. Manche kehrten dann der Welt erst recht den Rücken, und der Tod holte sie schnell, andere hingegen — und vielleicht gehörte Merolanna ja zu diesen — schienen wieder aufzuleben wie eine durch unerwarteten Regen gerettete Blume.
    »Versucht es einfach.« Utta war jetzt selbst wach.
Schon nach

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