Das Herz
sagte er, »wär's mir eine überaus große Ehre, Euch als Führer zu dienen, Majestät. Ich weiß, mein Freund Chert und die Seinen wären mehr als stolz, Euch die großen Höhlen zeigen zu dürfen.«
Das hübsche Gesicht der Königin wurde ernst. »Und ich würde sie liebend gern sehen. Also abgemacht. Wenn alles gutgeht, sollt Ihr mir einige dieser Orte zeigen, mein wackerer Kundschafter.«
Er befürchtete schon, ob der Ehre in einen Jubelgesang ausbrechen. »Zu gütig, Erhabene Majestät.« Er war jetzt damit fertig, den Öltuchumhang fest um sich zu schnüren — beim Flug durch diese engen, dunklen Gänge konnte er nichts Flatterndes gebrauchen —, und ging zu Mockel, die zwischen ihren zusammengefalteten Flügeln kauerte und den Dachling mit dem mürrisch-verschlafenen Ausdruck eines zu früh aus dem Mittagsschlaf geweckten Kindes anstarrte. Giebelgaup kletterte auf ihren pelzigen Rücken und wartete geduldig, dass ihn die Stallknechte im Sattel festbanden und ihm die Zügelringe in die Hand gaben.
»Ah!«, sagte Königin Altania plötzlich. »Vergesst nicht Euer Schwert, wackerer Giebelgaup!«
»Schwert?« Er schüttelte den Kopf »Das muss eine Verwechslung sein, Majestät. Ich hatte nie ein ...«
»Bis jetzt nicht. Doch Ihr habt Euch nicht nur als tapferer Dachrinnenkundschafter erwiesen, sondern auch als Paladin einer Königin, und für einen solchen ist die traditionelle Gabe ... ein Schwert.« Sie klatschte in die Hände, und ein kleiner Page trat vor; er trug das Schwert vor sich her, als wäre es ein kostbares Juwel — was es in gewisser Weise auch war. Der silberne Gegenstand war so dünn wie das Schnurrhaar einer Katze und spitzer als der gekrümmte Stachel einer Biene, und der Griff war mit goldenem Faden umwickelt. »Dies ist Königin Sanasus Nadel, welche vorzeiten unter ihren Stuhl fiel. Nehmt sie, Giebelgaup. Leistet Eurem Freund Chert gute Dienste, und es wird ein Dienst an uns allen sein.«
Er wusste, wenn er jetzt noch viel sagte, würde es nur etwas Dummes sein. Er beugte sich herab, nahm das Schwert aus ihrer zarten Hand und steckte es dann so durch den Riemen über seiner Schulter, dass der Griff neben seinem Kopf schaukelte und die Spitze die Flattermaus nicht störte. »Ich dank Euch, Majestät.« Er gab den Stallknechten ein Zeichen, worauf sie der Flattermaus die Fußfesseln abnahmen und rasch beiseitetraten, um nicht gebissen zu werden. Die großen Reittiere waren immer missgelaunt, wenn sie nachts nicht fliegen durften, und die Sonne war schon vor Stunden untergegangen. Sobald sie spürte, dass sie frei war, schwang sich Mockel durchs Bogenfenster des Turms in den schwarzen Himmel hinaus.
Giebelgaup trieb sein Reittier mit den Fersen an; die Flattermaus schwenkte auf die Mauer der Hauptburg zu und zog darüber hinweg; sie ruderte durch die Luft, mit schnellen Flügelschlägen, gefolgt von langen Momenten des Gleitens, in denen sich nichts bewegte außer der vorbeisausenden Luft. Er gab der Flattermaus noch ein wenig die Fersen und zog dann die Zügel an. Sie stieg hoch empor, legte sich so steil in die Kurve, dass für einen Moment selbst der Mond unter ihnen zu sein schien, ließ sich dann wie ein Stein fallen und breitete die Flügel erst wieder aus, als der Boden so nah war, dass Giebelgaup den Atem anhielt.
Gleich darauf waren sie durchs Tor von Funderlingsstadt und segelten unter der kunstvoll verzierten Felsdecke dahin, die so lebendig wirkte wie eine auf dem Kopf stehende Welt. Giebelgaup kannte nur einen Weg in die Mysterien, den langen und gefährlichen, den ihm Chert gezeigt hatte. Er konnte nur zu dem Herrn des Höchsten Punkts beten, dass er das, was ihm aufgetragen worden war, rechtzeitig schaffte.
Ferras Vansen fühlte sich wie ein einziges Auge — als ob von seinem Körper nichts mehr übrig wäre als dieses Sehorgan. Selbst der Kampfeslärm war inzwischen so durchgängig und gleichförmig, dass er ihn kaum noch wahrnahm; Gesichter glitten an ihm vorüber wie die von Geistern in einem Traum, zornig, verängstigt, manche sogar vertraut, aber er hatte keine Zeit für gewöhnliche Gedanken. Er war inmitten eines Sturms von Gewalt und Tod und ganz mit Überleben beschäftigt.
Die Xixier drüben auf der Insel hatten Bogenschützen antreten lassen, und als das erste ihrer selbstgefertigten Boote das Ufer erreichte, wo Ferras Vansen, die Funderlinge und die Qar zur Attacke stürmten, schwirrten Pfeile durch die Luft, fast unsichtbar im unsteten Licht. Ein
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