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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Schild ins Gesicht und drehte sich gleichzeitig weg, um dem unausbleiblichen Stoß mindestens eines Speers zu entgehen. Die Speerspitze schnellte auf ihn zu wie eine Schlange, aber er zog den Bauch ein und warf sein ganzes Gewicht gegen den Schild, drückte den Mann rückwärts, sodass der Südländer nur noch mit den Armen rudern konnte, um auf den Beinen zu bleiben. In diesem Augenblick trat Vansen dem Sanier ein Bein weg, rammte ihm das Knie in den Schritt und ließ sich auf ihn fallen, zu eng am Mann für die Speere. Ehe der Sanier mehr tun konnte, als gegen das Gewicht auf ihm anzukämpfen, ließ Vansen den Schild los und zog seinen Dolch aus dem Gürtel. Bis der Sanier den Schild weggeschoben hatte, war ihm Vansens Dolch bereits zweimal in den Bauch gedrungen. Die Augen des Mannes weiteten sich, und er riss den Mund auf wie zu einem Schrei, aber Vansen stieß ihm die Klinge immer wieder in den Leib, und der Mann spie stattdessen Blut.
    Vansen rappelte sich auf, während der Mann noch mit den Fingern auf dem Felsboden scharrte, als wollte er sich in Sicherheit graben. Vansen setzte ihm den Fuß auf den Kopf und trat zu, bis er den Kiefer des Mannes brechen hörte, dann richtete er sich auf und sah sich um.
    Ein Trupp Leoparden war auf der Insel in Stellung gegangen und feuerte jetzt aus den langen Gewehren; jeden Schuss begleitete eine Rauchwolke, sodass die Männer binnen Augenblicken unter einem Miniaturgewitter zu kauern schienen. Die Gewehrkugeln waren zu schnell, als dass man sie sehen konnte, aber ihr Werk war nur zu offensichtlich: Fast jeder Schuss warf einen Funderling zu Boden oder riss eine Wunde in einen Qar. Vansen sah sogar einen der wenigen verbliebenen Ettins mit halb weggeschossenem Kopf umfallen. Wären es mehr Leoparden gewesen oder hätten sie ihre ziselierten Gewehre schneller zu laden vermocht, wäre die Schlacht rasch vorbei gewesen. Doch auch so hinderten die Leoparden und ihre Gewehre die Funderlinge und Qar daran, den xixischen Freischärlern in die Flanke zu fallen, sodass die Verbündeten es weiterhin frontal mit der Übermacht des Autarchen aufnehmen mussten.
    Vansen hatte gerade den Ansatz einer Idee, wie er mit dieser hoffnungslosen Situation umgehen könnte, als Barrick Eddon über den steinigen Boden auf ihn zugerannt kam. Das blasse Gesicht des Prinzen war mit Blut aus einer kleinen Wunde verschmiert, er hielt den Helm in der Hand, und sein rotes Lockenhaar wehte, sodass er Vansen im ersten Moment wie ein bizarres, übernatürliches Wesen erschien, ein gepanzerter Dämon, dessen Kopf in Flammen stand. Es verblüffte Vansen immer noch, wie groß der Junge geworden war und wie er binnen weniger Monate um Jahre älter geworden zu sein schien.
    »Wir sitzen hier fest, Hauptmann — die Stunde ist fast da!«, rief Barrick. Pfeile schwirrten an ihm vorbei, aber er schien es nicht zu bemerken. »Wenn wir hier bleiben, haben wir verloren!«
    »Aber was können wir anderes tun, Hoheit?«
    Barrick lachte, ein hartes, wildes Lachen. »Ich habe Euch die Boote mustern sehen, Vansen. Ihr habt es doch selbst schon gedacht! Kommt, solange Saqri und die anderen noch das Zentrum halten und sie ablenken können. Sie hat mir gesagt, sie beginnt gleich mit ihrem Spektakel!«
    Was das heißen sollte, wusste Vansen nicht, aber der Prinz hatte recht. Sie hatten das Gleiche gedacht. Sich mit militärischer Stärke durch die xixische Verteidigung hindurchzuschlagen, war ausgeschlossen, aber wenn jemand zum Autarchen durchkam und ihn mit einer Klinge oder einem Pfeil tötete, konnte es immer noch gut ausgehen.
    »Welches, Hoheit? Das ganz am Ende?« Vansen wusste, sie mussten sich so weit wie möglich vom Zentrum des Kampfgeschehens fernhalten. Wenn die Musketiere dort drüben sie schutzlos herantreiben sahen, würden sie das andere Ufer nicht lebend erreichen. »Ich komme mit — aber um der Götter willen, setzt Euren Helm wieder auf!«
    Vansen und der Prinz hasteten das abschüssige Ufer hinunter, wobei sie sich immer wieder schmerzhaft lange und tief ducken mussten — schmerzhaft für Vansen jedenfalls. Zu seinem Erstaunen war Barrick Eddon nicht nur größer geworden, sondern auch kräftiger und geschmeidiger, und sogar den Arm, der doch als unrettbar verkrüppelt gegolten hatte, schien er ungehindert zu bewegen. Wo war das schmollende, wütende Kind von vor wenigen Monaten? Was war mit ihm passiert, nachdem Vansen in Große Tiefen ins Dunkel gefallen war?
    Er duckte sich so tief wie möglich,

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