Das Herz
während eine Salve von Pfeilen über ihn hinwegsirrte, kaum hörbar im Stimmenlärm und Pulverkrachen der gewaltigen Höhle. Da kam ihm plötzlich ein seltsamer Gedanke. Trotz der schrecklichen Gefahr, die rings um sie herrschte, war Barrick Eddon lebendig und heil nach Südmark zurückgekehrt. Was hieß, dass er, Ferras Vansen, sein Versprechen gegenüber Prinzessin Briony
nicht
gebrochen hatte. Er hatte den Prinzen vielleicht nicht eigenhändig nach Südmark zurückgetragen, aber zu seinem Überleben beigetragen hatte er. Falls er selbst überlebte, so unwahrscheinlich das auch war, würde sie ihn eines Tages vielleicht nicht mehr verachten.
Plötzlich wurde sein Herz so leicht, wie es die Dichter immer beschrieben, leicht wie eine Daune, die auf einem Atemhauch schwebte. So wenig ihre verächtlichen Beschimpfungen auch für Briony Eddon selbst bedeuten mochten, so unendlich schwerwiegend waren sie doch für ihn gewesen. Sie hatten auf ihm gelastet wie Stein. Jetzt war diese Last weg.
»Beeilt Euch!«, rief Barrick. »Saqri hat angefangen!«
Hinter ihnen erhob sich ein Geräusch, ein schaurig schönes Wehklagen wie das Heulen eines Wolfes, dem die Gabe der Sprache zuteilgeworden war. Die Zwielichtlerkönigin war über die Rücken ihrer eigenen Soldaten geklettert, um sich auf den Feind zu stürzen; ihr Schwert funkelte wie ein Kolibri in einem Kegel von Sonnenlicht. Es war ihre Stimme, die sich über den Schlachtenlärm emporschwang. Auf ihr ruhten alle Blicke. Ihre lange schlanke Klinge hieb und stach in einem fort. Sie tanzte durch die Xixier wie Rauch, und in diesem Moment wichen sie staunend vor ihr zurück. Und bei alldem sang Saqri immer weiter.
Vansen hörte ein Geräusch und richtete seine Aufmerksamkeit mit Mühe wieder auf seine eigene Situation. Zwei Wachen, die bei den äußersten Booten zurückgeblieben waren, stürzten heran, um ihn und den Prinzen abzufangen. Er wich dem Schwertstreich des einen Soldaten aus, stolperte, rollte sich weg und sah, als er wieder hochkam, wie der Mann erneut auf ihn losging. Im selben Augenblick schlug Barrick Eddon einen Haken um seinen eigenen Gegner, riss dabei dem Mann das Gewehr, das der gerade anlegte, aus den Händen, wirbelte dann herum und drosch ihm die Muskete von hinten so fest über den Schädel, dass dem Mann das Kinn auf die Brust knallte. Noch ehe dieser Xixier zu Boden gegangen war, dreht Barrick sich um und warf das Gewehr wie einen kurzen Speer auf den anderen Wächter. Es traf den Südländer am Kopf; er fiel hintenüber und blieb blutend und sterbend liegen. Vansen starrte verblüfft auf die Männer, die Barrick Eddon so mühelos besiegt hatte, während dieser zu dem an Land gezogenen Schilfboot ging.
»Götter, ist das groß!« Barrick stemmte die Schulter gegen den Bug. Das Boot machte ein schmatzendes Geräusch, bewegte sich aber nicht. Vansen holte ihn ein und half ihm, aber es war, als stemmten sie sich gegen einen hausgroßen Korb mit nasser Wäsche; Vansen war sich sicher, dass ihm eher das Blut aus den Ohren spritzen würde, als dass sich das Ding auch nur einen Fingerbreit vom Fleck rührte.
Endlich schrappte das Boot ein paar Zoll über den Stein. Vansen biss die Zähne zusammen, bis es sich anfühlte, als drohten sie zu zerspringen, und drückte noch fester gegen den Bootsbug; neben sich hörte er Barrick leise vor sich hin sprechen. Das Schilfboot bebte und kam ins Gleiten, schneller und immer schneller, bis Vansen stolperte, als er mitzuhalten versuchte, und merkte, dass er bereits bis an die Knie in dem silbernen Meer stand.
»Schiebt es noch ein bisschen an, damit es in Fahrt kommt«, sagte Barrick ruhig. »Und duckt Euch, wenn Ihr drin seid.«
Auf Zehenspitzen gehend und bemüht, keine platschenden Geräusche zu machen, schob Vansen. Er stand jetzt bis zur Brust in der silbernen Flüssigkeit. Sie war dicker als Wasser, schlüpfrig, glänzend und schwer, wenn auch nicht ganz so schwer wie richtiges Metall. Und sie war beunruhigend warm. »Wir sind drin — in dem silbernen Zeug!«
Er vergaß beinahe zu flüstern, so seltsam fühlte sich die Substanz an, wo sie seine Haut berührte, fast schon ... lebendig.
Barrick kletterte ins Boot, drehte sich dann um und reichte Vansen die Hand, um ihm hineinzuhelfen. Vansen warf sich keuchend auf den Boden des Boots und beobachtete, wie die silberne Flüssigkeit von seinem Körper rann und zwischen dem Schilf versickerte. »Was ist das? Woraus besteht dieser See?«
Barrick Eddon hatte
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