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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zu einem leisen Lächeln. »Aber dennoch, zu ihr gehen? Menschenkind, zwischen uns und ihr liegen viele hundert Meilen.«
    »Aber ihr habt doch diese ... Türen. Verbindungstore. Ich bin doch durch eins hierhergekommen!«
    Saqri gab ein seltsames, zischendes Geräusch von sich — sie lachte. »Großmutter Leere hat nicht alle Welt eingeladen, ihre Straßen zu benutzen, Kind! Nur ihren eigenen Urenkel, Krummling. Du kamst auf einer seiner Straßen, die entstand, als die Götter noch auf Erden wandelten und meine Leute und die Traumlosen noch verbündet waren. Sie existiert nur deshalb noch, weil uns das Wissen um die Erschaffung und Aufhebung solcher Dinge verlorengegangen ist — und sie würde dich nur in die Stadt Schlaf zurückführen.«
    »Aber wenn wir diese Straße nicht nehmen können, gibt es doch bestimmt noch andere!«
    »Einige. Manche waren schon zufällig entdeckt worden, ehe Krummling von der Alten in die großen Geheimnisse eingeführt wurde. Die Götter haben sogar viele ihrer Häuser so errichtet, dass sie die bereits entdeckten Straßen benutzen konnten.«
    »Dann können wir sie doch auch benutzen, oder? Ihr sagtet doch, Südmarksburg liegt genau über — oder vor oder wie auch immer — dem Palast des Kernios. Das habt Ihr doch gemeint, oder nicht? Eine von diesen Türen?«
    »Und die Straßen, die Kernios dienten, wären uns versperrt«, sagte sie. »Selbst wenn der Finstere tief in seinen langen Schlaf versunken ist. Es ist ein guter Gedanke, Barrick Menschenkind, aber es wird nicht gehen.«
    »Was soll ich denn dann tun, einfach nur ...
beten?
Meine Leute werden umkommen! Und der Rest von Euren auch!« Er warf sich auf die Pavillonstufen zu ihren Füßen und schlug vor Verzweiflung auf den Stein ein. »Ich dachte immer, die Götter gäbe es gar nicht — und jetzt sagt Ihr mir, sie versperren mir den Weg, wohin ich mich auch wende. Und dabei sind sie noch nicht mal wach!«
    Saqri zog eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Kurz darauf erhob sie sich und glitt an ihm vorbei die Stufen hinab. Sie hob die Hand, gebot ihm offensichtlich, ihr zu folgen.
    »Wohin gehen wir jetzt?«, fragte Barrick.
    »Es gibt noch eine Quelle, aus der uns Hilfe zuteilwerden kann«, sagte sie, ohne ihren Schritt zu verlangsamen.
    Barrick eilte hinter ihr her, durch den tönenden Singenden Garten in die zeitlosen Hallen von Qul-na-Qar.
    Irgendwann waren die Stufen, die sie so lange abwärts geführt hatten, in ebenen Boden übergegangen, aber er konnte sich nicht recht daran erinnern, und irgendwann war das unstete, wässrige Licht des Palastes schwächer geworden und schließlich ganz erloschen, aber auch daran erinnerte er sich nicht genau. Und schließlich hatte auch der Steinboden unter seinen Füßen aufgehört; jetzt war da nachgiebiger Lehm, als ob sie so tief unter der Festung wären, dass sie selbst die Fundamente hinter sich gelassen hatten. Tatsächlich gingen sie jetzt schon so lange durch Dunkel, dass er trotz allem, was Saqri über die große Entfernung sagte, das Gefühl hatte, schon fast von Qul-na-Qar nach Südmarksburg gelaufen zu sein.
    Die Stille dieses endlosen Dunkels war natürlich nicht wirklich still, jedenfalls nicht in Barricks schwirrendem Kopf, doch dank der ruhigeren inneren Haltung, die ihn Ynnir gelehrt hatte, und des Gefühls, dass der blinde König selbst nicht allzu weit entfernt war, schaffte es Barrick, sich nicht in das chaotische Wissen der Feuerblume hineinziehen zu lassen, sondern sich darauf zu konzentrieren, Saqri zu folgen, die ihn nicht führte, wie eine Mutter ein Kind durch eine fremde Umgebung führt, sondern nur vorausging wie jemand, der sich mit einem Familienmitglied an einem Ort bewegt, den beide von jeher kennen.
    Ist es Zutrauen zu mir, das sie damit zeigt, oder ist es Geringschätzung?
Die Frage hatte natürlich keinen Sinn, weil das für eine Qar vermutlich irgendwie dasselbe war. Dennoch, die Stimmen in seinem Kopf fühlten sich nicht halb so fremd an wie vorher. Er hatte schon fast das Gefühl, mit ihnen leben zu können.
    Endlich — und nur wegen des undurchdringlichen Dunkels, durch das sie gewandert waren — sah er Licht: Die Veränderung war so minimal, dass er sie sonst niemals bemerkt hätte. Es war eher die Erinnerung an Licht als Licht selbst. Obwohl die Helligkeit stetig zunahm, je weiter sie kamen, brauchte es doch noch hundert Schritt oder mehr, bis er schließlich Saqris silbrige Gestalt vor sich erkennen konnte, und dann noch einmal hundert,

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