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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Kopf, als ob plötzlich eine große Müdigkeit über sie gekommen wäre, und für einen Moment wurde es ganz still im Raum. Dann straffte sie sich, das Gesicht jetzt wieder eine Maske, und legte sich das Kriegssiegel wieder um. »Ich verfüge, dass mein Volk sich immer noch im Krieg befindet ... aber nur mit dem Autarchen. Heute bin ich eidbrüchig geworden, aber es ist nicht zu vermeiden — der Gefahr durch diesen Mann muss gewehrt werden. Denn er ist gekommen, um hier in der Mittsommernacht einen Gott aufzuwecken, doch drunten an dem Ort, den ihr die Mysterien nennt, harren mehr Götter als nur einer ihrer Erweckung, und viele von ihnen sind voller Zorn auf alles Lebende.«

4

Die Tiefe Bibliothek
    »Er wusste auf seiner Hirtenflöte zu spielen und entzückte damit alles, was ihn hörte, ob Mensch oder Tier. Und er verstand auch die Sprache der Vögel und Tiere der Fluren. Selbst die Löwen, die zu jener Zeit in Krace lebten, taten ihm nichts zuleide, und die Wölfe mieden seine Herde ...«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    Als er erwachte, war er immer noch so müde, als wäre er stundenlang gerannt. Es war unmöglich festzustellen, wie lange er geschlafen hatte: Der leuchtendgraue Himmel draußen, die wirbelnden Wolken und feuchten, uralten Dächer sahen genauso aus wie zuvor. Er setzte sich im Bett auf. Sein Denken war verschwommen und ohne Wortgestalt. Als er die Füße auf den Boden schwang, musste er innehalten, weil ihm schwindelig war. Also blieb er so sitzen, den Kopf in die Hände gestützt, bis er die Stimme der Königin hörte.
    »Menschenkind.«
    Er öffnete die Augen und sah sie vor sich stehen. Er befand sich in einem Zimmer, das schlicht, aber komfortabel war. Neben dem Bett ging ein Fenster, dessen Läden geöffnet waren, auf einen Innenhof und einen verwilderten Garten mit weißblauen Blumen hinaus. An allen anderen Fenstern, die Barrick sah, waren die Läden geschlossen.
    »Ich habe geträumt ...«, setzte er an.
    »Es war kein Traum«, erklärte Saqri. »Du warst auf dem Weg in die jenseitigen Gefilde, fast schon ausgelöscht durch die Macht der Feuerblume. Aber jetzt ist mein Gemahl mit dir, um dir zu helfen. Oder jedenfalls ein Teil von ihm — der Teil, den deine Not daran gehindert hat, sich weiter zu entfernen.« Saqris Augen waren ernst. »Ich weiß nicht, ob ich dich dafür hassen soll oder nicht, Barrick Eddon. Ynnir hätte den Weg fortsetzen sollen. Er hatte sich dafür entschieden zu gehen. Doch wegen des Bandes der Verantwortung oder Scham dir gegenüber ist er immer noch hier.«
    »Ynnir ist ... in mir?«
    »Wie es scheint, sind
sie alle
in dir, all die Männer der Feuerblume, ähnlich wie die Frauen alle in mir sind, meine Mutter und meine Großmütter und Urgroßmütter bis zurück zu den Tagen der Götter. Doch auch wenn ein Teil von ihnen in dir zurückbleibt, sind die Ahnen des Vaters in Wahrheit doch weitergegangen, in das, was jenseits liegt ...« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, es gibt keine Worte, die wahrhaftig von meinem Denken zu deinem sprechen würden. Aber mein Gemahl ... mein Bruder ... er kann nicht ...« Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich, und sie schwieg wieder. Er hörte ein Wispern wie vom Flügelschlag einer Fledermaus in den dunklen Tiefen seiner selbst, doch es kam von einer Stimme, die weder ihre noch seine war —
»Traurig ist sie, traurig, sie vermisst mich selbst in der Wut, o stolze Schwester du bist noch immer wunderschön ...!«
    »Ich muss nachdenken über dieses — über alles«, erklärte ihm Saqri schließlich. »Ich gehe jetzt. Harsar wird zu deinen Diensten stehen, bis ich dich rufe.«
    Kurz nachdem sie hinausgegangen war, erschien der seltsame kleine Diener Harsar mit einem Tablett, auf dem sich etwas befand, das Barrick nur als Festmahl empfinden konnte — Brot und salziger, weißer Käse und Honig und eine Schale mit den dicksten, süßesten, zarthäutigsten Pflaumen, die er je gekostet hatte. Harsar ging nicht sofort wieder, sondern sah Barrick beim Essen zu.
    »Ich habe noch nie jemanden von Eurer Art gesehen, außer in Träumen«, sagte das menschenähnliche Geschöpf schließlich. »Ihr seid weder so furchterregend noch so sonderbar, wie ich dachte.«
    »Danke. Ich würde über Euch dasselbe sagen, nur dass ich mir nicht sicher bin, jemals jemanden von Eurer Art auch nur im Traum gesehen zu haben.«
    Harsar musterte ihn aus schmalen Augen. »Scherzt Ihr? Ihr habt niemals

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