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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Licht entgegenzuschwimmen, sank aber stattdessen immer tiefer in die Erschöpfung hinab und schließlich wieder ins Vergessen des Schlafs.
    Als der Diener ihn wieder weckte, brachte er keine Mahlzeit, sondern eine Order.
    »Die Königin wünscht Euch im Singenden Garten zu treffen.«
    Barrick stand auf und folgte Harsar. Er fühlte sich geschützt durch Ynnirs Beistand und die nicht in Erscheinung tretende, aber immer noch spürbare Gegenwart des Königs. Die Stimmen der Feuerblume waren nicht weg, doch für den Moment gedämpft, als ob eine schützende Decke zwischen sie und Barrick gebreitet worden wäre. Er folgte dem kleinen Diener zu einem Nebenausgang hinaus und unter dem grauen Himmel einen schwarzen Kiesweg entlang, der sich wie ein Bach durch ein Bett von Stein zog. Sie durchquerten Garten um Garten, konzentrische, zwischen Mauern gelegene Ringe, wo die Farben und Formen von Blumen und Steinen auf eine Art eingesetzt waren, die er nicht ganz begriff, aber der Effekt war so stark und so vielfältig, dass es schon fast zu viel für ihn war.
    Im Zentrum befand sich ein steinerner Torbogen, von weiß blühenden Pflanzen umrankt.
    »Geht leise«, sagte Harsar. »Zu Eurem eigenen Besten.« Der Diener verbeugte sich und ließ ihn allein.
    Barrick trat durch den Torbogen und fragte sich, wovor genau ihn Harsar gewarnt hatte. Gab es hier Tiere, die ihm etwas tun würden, wenn sie ihn bemerkten? Oder gar Pflanzen? Er ging so lautlos, wie er irgend konnte, froh, dass da jetzt anstelle des Kieswegs ein Streifen von reinem, dichtem Gras war, das jeden Schritt dämpfte.
    Neben ihm tropfte es leise: Wasser, das aus einem Riss in der äußeren Mauer auf einen Stein fiel, plitsch, plitsch, plitsch. Etwas weiter vor ihm fielen eine Reihe unwesentlich größerer Rinnsale in flache Tümpel neben den Weg, was klang, als klopfte jemand sachte an einen kristallenen Trinkbecher. Über diesen Geräuschen vernahm er ein leises, melodisches
Hu-huu,
das der Laut eines zufrieden auf seinem Gelege sitzenden Vogels hätte sein können, aber, wie sich herausstellte, von einem schlanken, steinernen Turm kam, der etwa doppelt so groß war wie er und in der Spitze ein nadelöhrartiges Loch hatte, das den hindurchstreichenden Wind in liebliche Musik verwandelte.
    Singender Garten
hatte Harsar diesen Ort genannt. Singender Garten. Selbst die Stimmen in seinem Kopf verstummten, als ob sie auf etwas lauschten, das sie einmal geliebt, aber lange vergessen hatten.
    Die Königin saß in einem offenen Pavillon inmitten blühender Bäume, die Augen geschlossen, als schliefe sie. Als er sich ihr näherte, regte sich Saqri in der Tiefe ihrer weißen Gewänder, als ob der Wind Blütenblätter bewegte, und schlug die Augen auf.
    »Mein Gemahl ... mein Bruder ... bevorzugte immer den Turm der denkenden Wolken«, erklärte sie ihm. »Aber jener Ort ist für mich zu stark. Mir gefällt es hier. Dieses Plätzchen hätte ich vermisst, wenn ich nicht hätte zurückkehren können.«
    »Woher zurückkehren?«
    »Aus den Gefilden, in die wir alle eines Tages gehen werden — jenen Gefilden, aus denen du vor kurzem fast nicht zurückgekehrt wärst.« Sie nickte. »Doch selbst hier, inmitten dieses Friedens, konnte ich den Schleier um dein Heim nicht durchdringen, diesen Ort, den wir Die letzte Stunde des Ahnherrn nennen.« Saqris Gesicht verdüsterte sich. »Etwas Schwerwiegendes, Seltsames geschieht dort — etwas, das ich nie zuvor erlebt habe und das die Worte meiner Großtante Yasammez von mir fernhält und meine von ihr.«
    »Aber wenn Ihr nicht mit ihr sprechen könnt, was sollen wir dann tun? Wir müssen sie aufhalten — ihr sagen, dass die Feuerblume noch lebt. Sonst wird sie Südmarksburg zerstören.«
    »Dass sie es noch nicht erobert hat — was ich spüre —, heißt, es muss alles ... komplizierter sein, als wir ahnen.« Saqri schüttelte den Kopf. »Aber es ist sinnlos, weiter darüber zu reden. Solange sich nichts ändert, kann ich nicht mit ihr sprechen. Sie wird ihre Entscheidung fällen und tun, was sie tun zu müssen glaubt, so wie immer schon.«
    »Dann müssen wir hingehen. Wir müssen Yasammez sagen, dass der Pakt erfolgreich war. Das Vertrauen des Volkes gebietet es!« Feuerblumenstimmen und -gedanken erfüllten seinen Kopf wie aufspritzendes Wasser, aber er war sich sicher, dass er die Grundaussage richtig erfasst hatte. »Warum seht Ihr mich so an?«
    »Du klingst eher wie einer von uns denn wie einer von euch.« Ihre Lippen verzogen sich

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