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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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vorbei. Vielleicht wird danach noch etwas kommen ... vielleicht ... aber ich kann es nicht sehen ...
    Er wusste, sie wurde müde, und er durfte ihre Kräfte nicht unnötig strapazieren. Aber wenn sie nicht mehr da war, würde es auf der Welt niemanden mehr geben, der ihn verstand.
Habe ich Euch schon gesagt, was ich herausgefunden habe?
    Ihre Lider flatterten, blieben aber geschlossen.
Nein, erzähl es mir, Menschenkind.
    Es war wie damals, ehe er um die ganze Schrecklichkeit der Krankheit seines Vaters gewusst hatte, an jenen Tagen, da Olins Art zu sprechen und sich zu bewegen die eines Mannes gewesen war, der an den Tagen zuvor viel zu viel getrunken hatte.
Armer, gequälter Mann. Er verstand noch viel weniger als ich, was mit ihm los war, und selbst ich begreife es längst nicht ganz ...
Zu Saqri sagte er:
Ich habe von xixischen Gefangenen erfahren, dass in den Wüsten und Hügeln des Südkontinents vielleicht noch immer Stämme des Volkes leben — die Xixier nennen sie Khau-Yisti. Und es gibt auch Geschichten von Wesen, die mit unserem Volk verwandt sein müssen, auf den Inseln im Süden und Westen Xands
    Er merkte, dass Saqri nicht mehr zuhörte — sie war wieder in ihren tiefen, tiefen Schlaf gesunken, befand sich an einem Ort gerade noch diesseits des Todes. Es war jedes Mal schwerer, sie zurückzuholen, und jedes Mal entglitt sie schneller wieder dorthin. Bald schon würde die andere Hälfte der Feuerblume für immer verschwunden sein.
    Ynnir? Was soll ich tun?
    Doch auch diese Stimme war verstummt.

    »Elan, so sprecht doch mit mir. Das ist doch wohl keine unbillige Forderung von einem Mann, der Euch so aufrichtig geliebt hat wie ich?«
    Sie sah ihn stirnrunzelnd, aber nicht ärgerlich an. »Ihr wisst, dass ich Euch mag, Matty. Ich werde Euch immer dankbar dafür sein, dass Ihr versucht habt, mich vor Hendon zu retten.«
    »Versucht? Ich habe es getan!«
    »Gewiss. Für eine Weile. Aber jetzt ist alles anders — das müsst Ihr doch verstehen.«
    »Was? Dass Ihr mich wegen eines sterbenden Mannes sitzen lasst?«
    Sie wich vor ihm zurück. »Gailon wird nicht sterben! Zu Hause in Gronefeld wird er die besten Ärzte bekommen. Er kann nicht sterben! Die Götter würden niemals ein solches Wunder wirken, um es dann wieder zunichtezumachen!«
    Nach den letzten Wochen hatte Matty Kettelsmit seine eigenen Ansichten darüber, was die Götter tun und nicht tun würden, aber er wusste, alles Argumentieren wäre sinnlos. Elan liebte Gailon Tolly, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war, und jetzt hatte sie die Möglichkeit, ihn während der letzten Monate seines Lebens zu pflegen.
    »Um Euch herum geschehen lauter Wunder, Elan«, sagte er. »Ich müsste tot sein! Man hat versucht, mir einen Armbrustbolzen ins Herz zu schießen. Aber ebenjenes Gebetbuch, das ich Euch schenken wollte, hat den Pfeil aufgehalten.« Er zog das Büchlein aus seinem Wams und hielt es ihr hin. Zerfetztes Pergament blühte aus einem silbermünzengroßen, zerklüfteten Loch im Deckel. »Hier! Auf den hinteren Seiten ist mein Blut! Wenn ich es nicht bei mir getragen hätte, wäre mir der Pfeil ins Herz gedrungen, aber so hat er mir nur ein Loch in die Brust gebohrt. Bedeutet Euch das denn gar nichts?«
    »Es bedeutet, dass ich recht daran tat, Euch das Buch zurückzugeben, Meister Kettelsmit. Wenn ich Euer Geschenk angenommen hätte, wärt Ihr jetzt tot.«
    Kettelsmit sank in sich zusammen. Er hatte seit Mittsommer kaum geschlafen. Manchmal dachte er, wenn er Elan nicht haben könnte, würde es ihm das Herz brechen, und er würde sterben — noch vor Gailon Tolly vielleicht —, und dann würde es Elan aber leid tun ...!
    »Kommt her«, sagte sie und hob die blassen Hände. »Ich will Euch einen Kuss geben.« Und zu seiner abgrundtiefen Betrübnis gab sie ihm einen keuschen, schwesterlichen Kuss auf die Wange. »Ich werde Euch nie vergessen, Matty. Euch nicht und auch nicht Eure Schwester und Eure Mutter ...«
    »Meine Mutter vergisst niemand«, sagte er sarkastisch.
    »Ihr könntet ihr ein besserer Sohn sein, wisst Ihr das? Sie will doch nur Euer Bestes ...«
    Kettelsmits wehes Herz verkroch sich augenblicklich tiefer in seiner Brust. Er setzte zu einer weiteren bitteren Bemerkung an, begriff dann aber, dass er und Elan nicht mehr dieselbe Sprache sprachen. »Mein Bestes? Ihr haltet mich wohl für ein Kind!«
    »Ich halte Euch für einen anständigen, gütigen Menschen.«
    »Man muss ja wohl kein Dichter sein, um zu verstehen, dass das so

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