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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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viel heißt wie ›Ich brauche Euch nicht mehr‹.«
    »Seid nicht ärgerlich, bitte.«
    »Ärgerlich?« Er stand auf und verbeugte sich. »Ganz und gar nicht, edles Fräulein, ganz und gar nicht. Nein, ich bin froh, weil ich heute etwas Wichtiges über die Liebe gelernt habe, und das ist ja wohl das gebührende Studienobjekt für einen Dichter — die Liebe! Lebt wohl, Elan. Ich wünsche Euch und Gailon das Allerbeste.«
    Doch als er sich nach diesen noblen, poetischen Abschiedsworten in der Tür noch einmal umdrehte, sah ihm Elan M'Cory keineswegs, wie er gehofft hatte, bedauernd und sehnsüchtig nach. Sie hatte sich wieder ihrer Stickerei zugewandt.

    »Ich konnte keine Spur von ihm entdecken«, berichtete Chert Opalia, als er sich auf die Bank fallen ließ. »Ich habe in der ganzen Stadt herumgefragt, aber niemand weiß etwas.«
    Opalia brachte kaum die Kraft auf, den Kopf zu heben. »Warum hat er mich angelogen? Warum hat er mir gesagt, ich würde ihn wiedersehen?«
    Chert saß neben ihr auf der Bank und wünschte sich zum hundertsten Mal, sie hätten nicht im Haus seines Bruders unterkriechen müssen, aber ihr eigenes Haus in der Keilstraße lag zu nah an dem Teil von Funderlingsstadt, wo sich Durstin Krey und die übrigen Tolly-Anhänger verschanzt hatten.
    Als wollte er ihm die ganze Misere seines gegenwärtigen Lebens vor Augen führen, wählte Knoll Blauquarz just diesen Moment, um die Treppe herunterzukommen und den Vorraum zu betreten, wo sein Bruder und seine Schwägerin derzeit Unterschlupf gefunden hatten. »Ah, Chert. Am Herumsitzen, wie ich sehe. Du wirst doch gewiss eine Möglichkeit finden, irgendwo mit anzupacken und dich nützlich zu machen — es gibt ja dieser Tage genug zu tun.« Er nickte so langsam, als ob die Last seiner Verantwortung selbst so simple Bewegungen schwermachte. »Und außerdem war jemand aus der Zunfthalle hier und hat behauptet, du würdest in der Oberirdlerburg verlangt.« Er lachte, aber es lag ziemlich viel Ärger in diesem Lachen. »Ich nehme an, jemand hat uns beide verwechselt, aber dieser Dummkopf von einem Boten hat immer wieder gesagt, nein, du seist gemeint, also musst du wohl hingehen und nachfragen.« Knoll nickte Opalia zu, warf sich seinen Mantel um und ging zur Haustür hinaus.
    Chert hatte kaum mitbekommen, was sein Bruder über die Botschaft gesagt hatte; er kaute immer noch an der vorausgegangenen Beleidigung.
Mit anpacken und mich nützlich machen? Er war doch derjenige, der beinah alles ruiniert hätte,
dachte Chert.
Mein eigener Bruder. Er hat versucht, mir Steine in den Weg zu legen, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, in Erfahrung zu bringen, was ich da machte.
    Ein anderer Gedanke schloss sich an, einer, der schon die ganze Zeit da war, den er aber nicht weiter hatte verfolgen können, weil er zu beschäftigt gewesen war.
Ich habe dazu beigetragen, dass alles so gekommen ist — dass es besser ausgegangen ist, als es sonst wohl ausgegangen wäre. Dass dieser Autarch aus der Welt ist. Dass wir alle noch leben.
Kurz wollte Chert seinem Bruder hinterherrennen und ihm mit einem Stein den Schädel einschlagen.
Ich. Nicht er.
Doch bislang wussten die meisten Leute in Funderlingsstadt nur so viel über die ganzen Geschehnisse, dass Chert eine entscheidende Rolle bei der Zerstörung ihrer heiligsten Stätten gespielt hatte.
    Er wurde dadurch aus seinen Gedanken gerissen, dass Opalias Hand seinen Arm umfasste — umkrallte, besser gesagt. »Geh zu ihr«, sagte sie.
    »Was? Zu wem? Warum?«
    Opalias tiefe, lähmende Traurigkeit hatte jetzt einer fiebrigen Intensität Platz gemacht, die kaum weniger beängstigend war. »Zur Prinzessin natürlich, wo du doch sowieso auf die Burg musst. Du hast ihr das Leben gerettet! Sie wird uns helfen!«
    »Ich ihr das Leben gerettet? Mag sein. Aber sie mir auch. Ich habe dir doch gesagt, es war nicht so einfach ...«
    »Sag ihr, wir müssen unseren Jungen finden! Sag ihr, was Flint alles getan hat! Sie kann dich nicht abweisen — sie ist dir etwas schuldig!«
    »Aber, meine Liebe, Prinzessin Briony hat doch Wichtigeres zu tun ...«
    »Was könnte wichtiger sein, als unseren Jungen zu finden, du alter Narr? Du hast doch gehört, was Antimon gesagt hat — Flint hat Giebelgaup gerettet, damit er den Astion abliefern konnte! Und die Qar ... Flint hat auch Sachen für die Qar gemacht, obwohl ich das nie ganz verstanden habe. Aber ... aber unser Junge ist
wichtig.
Sag ihr das. Flint ist wichtig. Sie muss ihm helfen!«
    Chert

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