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Das Hexenkraut

Das Hexenkraut

Titel: Das Hexenkraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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Das hätte Jakob zumindest gemacht. Er sah auf seine durchgescheuerten Lederfüßlinge und seufzte.

    Marthe band den Mantelsack zu und reichte ihn Jakob. »Wir müssen weiter, wenn wir noch vor Einbruch der Dunkelheit einen Schlafplatz finden wollen.«
    Jakob schulterte den Mantelsack. Bei dem Gedanken an seine erste Nacht im Freien kam ihm der Sack gleich doppelt so schwer vor.
     
    Den ganzen Tag liefen sie über Wiesen, kämpften sich durch dichte Wälder, streiften über Lichtungen und kletterten über Felsbrocken. Nach und nach wurden die Bäume kleiner, die Blumen und Gräser spärlicher. Sie näherten sich dem Kamm des Höllengebirges.
    Die Sonne war bereits untergegangen, als Jakob den Mantelsack unter einer kleinen, verkrüppelten Bergkiefer abwarf. Der Boden darunter war moosbewachsen und ein großer Felsbrocken bot Schutz vorWind und Regen. Der Himmel verfärbte sich bereits dunkelblau. In wenigen Minuten brach die Nacht an.
    Marthe und Jakob teilten sich zum Abendessen eine Schale Weizenmus. Danach räumten sie das restliche Gepäck und die spärliche Verpflegung aus dem Mantelsack. Sie legten sich auf das Moos und breiteten den Mantelsack über sich als Decke aus.
    Jakobs Fersen und Fußsohlen waren aufgerieben. Seine Beine zitterten. Der lange Marsch hatte ihn vollkommen erschöpft. Er war so müde, dass er am liebsten sofort in einen tiefen Schlaf gefallen wäre. Dennoch versuchte er verzweifelt, die Augen aufzuhalten. Je mehr sich die Dunkelheit über den Berg legte, desto mehr unheimliche Schatten und Geräusche nahm Jakob wahr. Da! Huschte dort nicht eine gebückte, schwarze Gestalt am Fels vorbei? Und was war das? Hatte nicht eben ein Ast geknackt? Was war das für ein Heulen? War es ein wildes Tier oder nur der Wind?
    Jakob hatte den Mantelsack bis zur Nasenspitze gezogen. Bei jedem Geräusch zuckte er zusammen.
    »Kannst du nicht schlafen?«, fragte Marthe.
    »Mir ist nur kalt«, antwortete Jakob schnell. Noch einmal würde ihn ein Mädchen nicht Schwächling nennen.
    »Stell dir vor, du bist ein Brot im Ofen. Dann wird dir warm.«
    Jakob wollte kein Brot sein. Er wollte zu Hause sein. In der Kammer bei seiner Mutter. Aber das sagte er Marthe lieber nicht.
    »Gute Nacht«, erwiderte Jakob und drehte sich zur Seite.
    Marthe gähnte. »Ebenfalls.« Kurz darauf war ihr gleichmäßiger Atem zu hören.
    Jakob lag wach und starrte beklommen in die Nacht. Sie war voller unheimlicher Geräusche, Gerüche und schattenhafter Bewegungen. Wie konnte Marthe nur einfach schlafen? Jeden Moment konnte sich ein hungriges Rudel Wölfe auf sie stürzen. Oder eine schwer bewaffnete Räuberbande. Die Leute erzählten sich über das Höllengebirge die unheimlichsten Geschichten. Nicht nur Wölfe, Bären und Räuber hausten hier, sondern auch wilde Bestien, grausame Nachtgestalten und andere teuflische, heimtückische Wesen. Vielleicht waren sie ganz in ihrer Nähe. Dann waren ihnen Jakob und Marthe hilflos ausgeliefert. Sie hatten keinerlei Waffen zur Verteidigung. Wäre Marthe eine Hexe, dann könnte sie wenigstens ihre magischen Kräfte einsetzen und auf einem Besen davonfliegen. Mit diesem Gedankenschlief Jakob schließlich doch ein. Er träumte von einem Backofen.
    Nur eine Stunde später fuhr er mit einem Ruck hoch. Ein unheimliches Geräusch hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. Die Haare standen ihm im Nacken zu Berge, hastig sah er sich nach allen Richtungen um. Er war von vollkommener Dunkelheit umgeben. Der Mond war hinter einer großen Wolke verschwunden. Jakob blieb stocksteif sitzen und lauschte. Hatte er nur geträumt? Auf einmal hörte er Steine klacken. Jakob wagte kaum zu atmen. Er starrte weiter in die Finsternis und tastete neben sich nach Marthe. »Wach auf«, flüsterte er. »Jemand ist hier.«
    Doch seine Hand griff ins Leere. Marthe war verschwunden! Einen Moment war Jakob wie gelähmt. Was sollte er jetzt tun? Alleine hierbleiben und auf Marthe warten? Was, wenn sie niemals zurückkam? Was, wenn eine wilde Bestie sie verschleppt hatte oder sie Wegelagerern in die Hände gefallen war? Was, wenn sie seine Hilfe brauchte?
    Einen Moment schloss Jakob die Augen und holte tief Luft. Dann streifte er langsam den Mantelsack zurück. Am liebsten hätte er sich in ein Erdloch verkrochen und gebetet. Doch er nahm all seinen Mutzusammen und stand leise auf. Er zögerte, dann ging er vorsichtig zwei Schritte den Berg hinauf.
    »Marthe?«, rief er mit gedämpfter Stimme. Um ihn herum blieb alles still. Jakob

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