Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Da Magdalena den Tag nicht verderben wollte, lenkte sie Anna ab: »Weißt du überhaupt, liebe Base, dass mein Mann für dein schönes indigoblau gefärbtes Kleid verantwortlich ist?«
Anna sah Magdalena fragend an. Die lachte wieder und klimperte mit den Wimpern, sodass auch Anna einstimmte.
»Ja, natürlich! Schließlich entstammt dein Mann einer berühmten Waidhändlerfamilie.«
»Richtig! Deshalb werde ich dir später das Stotternheimer Palais zeigen, das Joachims Onkel erbauen ließ. Doch zuerst muss ich zu dem Gewürzhändler auf der Krämerbrücke, und anschließend werden wir Joachim zum Mittagessen vom Kontor abholen.«
»Ach du große Güte, da sind wir ja den lieben langen Tag unterwegs!
« Magdalena nickte und schnitt eine Grimasse. Wieder kicherten die beiden jungen Frauen und gingen weiter.
Reges Treiben empfing sie auf der Krämerbrücke, die ihren Namen zu Recht trug. Rechts und links waren kleine, schmale Häuser dicht aneinandergebaut, in denen die Krämer ihre Ware darboten. Magdalena hüpfte voller Freude von einem Stand zum anderen. Hier prüfte sie die Seide, dort betrachtete sie die kunstvoll gefertigten Halsketten und Ohrgehänge. Beim Gewürzstand kaufte sie Pfeffer aus Madagaskar und Salz aus dem Toten Meer. Am Stand, der vor dem Haus mit dem goldenen Helm aufgebaut war, beschwerte sich ein Bürger über die unverschämten Preise.
Zwischen zwei Häusern war eine kleine Stiege, die Anna neugierig hinunterblickte.
»Ah, du wandelst auf geschichtlicher Erde«, neckte Magdalena ihre Base lachend. Als sie Annas fragenden Blick erkannte, erklärte sie: »An dieser kleinen Stiege soll Martin Luther als Augustinermönch gebettelt haben.«
Beeindruckt sah Anna nochmals hin, als sie Peitschenknallen und wütende Worte hörte. Vorwitzig ging sie die kleine Stiege hinunter und sah, wie ein Fuhrwerk in dem brackigen Wasser der Gera feststeckte. Unterhalb der Krämerbrücke schien sich die Furt zu befinden, durch die die Fuhrwerke zum Wenigemarkt fahren mussten, da die von Pferden gezogenen Karren die schmale Krämerbrücke nicht überqueren konnten.
Derbe Schimpfwörter kamen über die Lippen des Kutschers.
»Unsere Oma hätte uns den Mund mit Seife ausgewaschen, wenn wir solch schmutzige Worte gesagt hätten«, stellte Magdalena lachend fest und zog Anna hinter sich her.
»Komm, meine liebe Base, wir gehen hier entlang.«
An der Studentenburse, dem Heim für studierende junge Männer, vor der Burschen scheinbar in ihre Bücher vertieft waren, gingen die beiden Frauen vorbei zur Michaeliskirche.
»Da Luther in Erfurt studiert hat, ging er hier regelmäßig zur Kirche und soll in der Michaeliskirche sogar gepredigt haben.«
»Jetzt wundert es mich schon, warum eure Stadt Erfurt und nicht Lutherstadt heißt«, stichelte Anna, und Magdalena tat daraufhin so, als ob sie schmollte. Doch Anna ignorierte das und hakte sich bei ihrer Base unter.
»Erzähl ruhig weiter – euer Erfurt ist nämlich wunderschön und so geschichtsträchtig.«
»Du hänselst mich schon wieder.«
»Ach nein, es ist mir Ernst!«
Nun konnte Magdalena nicht länger die Eingeschnappte spielen und kicherte laut los.
»Gern hätte ich dir den Domplatz gezeigt. Doch heute wirkt der Platz wie leer gefegt, da erst morgen wieder großer Markttag ist. Direkt in der Früh werden wir hingehen. Anna, ich sag dir, du kannst dir nicht vorstellen, welch wunderbare Leckereien dort angeboten werden«, schwärmte Magdalena. »Von überall her kommen die Bauern mit geräucherter Ware, eingelegtem Gemüse, edlen Weinen …« Ihr schien das Wasser im Mund zusammenzulaufen.
»Hast du schon wieder Hunger?«, fragte Anna erstaunt und gluckste über den zerknirschten Gesichtsausdruck der Base.
»Ich könnte den ganzen Tag essen. Es ist furchtbar. Ich glaube, dass ich auch schon zugenommen habe. Joachim ist daran schuld. Jeden Tag bringt er mir kandierte Früchte, Kuchen oder Pralinés mit … Ich glaube, er will mich mästen!«
Erschrocken blickte Anna sie an und prustete los.
»Du bist so lustig, Magdalena. Ich bin wirklich froh, dass ich mich zu dieser Reise entschlossen habe.«
»Dein lieber Mann hatte wohl keine Lust, dich zu begleiten?«
Als Anna antworten wollte, hatte sie plötzlich keine Stimme
und konnte nur noch krächzen. Nachdenklich musterte Magdalena sie, sagte jedoch kein Wort.
»Sieh, Anna, hier gleich um die Ecke ist das Gasthaus, in das Joachim uns einladen möchte. Und weißt du was? Morgen werde ich dir unseren
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