Das Hexenmal: Roman (German Edition)
Gesicht. Voller Vorfreude erzählte Burghard seinem Lehrmeister Servatius davon, und auch, wer der erwählte Mönch sein würde. Der Junge, dessen Herz rein
und ehrlich war, ahnte nicht, dass der eifersüchtige Servatius ihn nun erst recht bis in die letzte Faser seines Herzens hassen würde.
Burghards neuer Begleiter wurde zu Bruder Ruppert bestellt, wo dieser dem auserwählten Mönch erklärte, welches Glück er doch hätte, zusammen mit dem Jüngeren den Menschen das Leben der Brüdergemeinschaft und die Lehre, nach der sie lebten, auf der Reise näherzubringen.
Doch dieser war wenig erfreut über die Entscheidung, denn er verabscheute die Wanderschaft von jeher und hatte nie die Absicht gehabt, jemals das Kloster zu verlassen. Nur mit Mühe konnte er bei dem Gespräch seine wahren Gefühle unterdrücken. Er musste an sich halten, damit sein Gesicht ihn nicht verriet, denn Verachtung für den Älteren und Hass für den Jüngeren vergifteten seinen Charakter. Fast ohnmächtig vor Wut senkte er gespielt ergeben seinen Blick und zog sich in seine Zelle zurück. Dort hämmerte er mit den Fäusten gegen die Wand und zweifelte das erste Mal die Gerechtigkeit des Herrn an. Der Name des Bruders lautete Servatius.
Kapitel 13
Clemens hatte dafür gesorgt, dass Anna vier kräftige Kutschpferde für ihre Reise bekam. Den prachtvollen schwarzen Wallachen konnte man ansehen, dass ihnen die Wegstrecke von Worbis nach Erfurt keine Schwierigkeiten bereiten würde. Der Kutscher hatte Order, zwischen Mühlhausen und Bad Langensalza einen Gasthof aufzusuchen, wo sie die Nacht verbringen sollten. So würden sie am nächsten Morgen ausgeruht die restliche Wegstrecke bis Erfurt zurücklegen können. Anna reiste allein, sie hatte es abgelehnt, von einer Dienstmagd begleitet
zu werden. Bei ihrer Base in Erfurt würde sie deren Dienste nicht brauchen.
Wilhelm hatte mürrisch vor sich hingebrummt, als er das Gespann im Hof stehen sah. Während sich die Geschwister herzlich voneinander verabschiedeten, war der Abschied der Eheleute eher kühl. Zwar hatte Wilhelm seiner Frau noch eine gute Reise gewünscht, hatte dann aber nicht mehr bis zur Abfahrt gewartet. Er war zurück ins Wohnhaus gegangen, um sich, wie er sagte, seinen Pflichten zu widmen.
Als Clemens den traurigen Blick seiner Schwester bemerkte, umarmte er sie nochmals und half ihr beim Einsteigen in die Kutsche. Es war zwar Sommer und das Wetter unverändert gut, jedoch hatte Clemens die Ansicht vertreten, dass es sicherer wäre, in einem geschlossenen Wagen zu reisen, falls ein Gewitter aufziehen würde. Außerdem war Anna so auch vor der Sonne geschützt.
Anna winkte noch aus dem Kutschfenster, als sie den Hof bereits verlassen hatten.
Die Reise verlief ohne Zwischenfälle, und am nächsten Tag, rechtzeitig zur Geburtstagsfeier der Base, fuhr die Kutsche durch ein wuchtiges Holztor in den Hof des Stadthauses der Familie von Stotternheim.
Als Magdalena von Stotternheim gemeldet wurde, wer im Hof angekommen war, lief sie eilends die imposante Steintreppe hinunter. Voller Freude umarmten sich die Basen.
Erst drei Tage später, nachdem die große Feier zu Magdalenas Geburtstag vorüber war, fanden die jungen Frauen endlich Zeit, sich alten Erinnerungen und interessanten Neuigkeiten zu widmen.
Neidvoll hatte Anna während der vergangenen Tage den liebevollen Umgang zwischen Joachim von Stotternheim und ihrer Base beobachtet. Zeitweise träumte sie, an Magdalenas Stelle zu sein, doch als ihren Mann sah sie nie Wilhelm, sondern
ein anderes vertrautes Gesicht schob sich vor ihr geistiges Auge. Als sie sich bewusst wurde, wen sie da sah, war Anna verwirrt. Aber sie weigerte sich, dem Bedeutung beizumessen und länger darüber nachzudenken.
Am vierten Tag ihres Aufenthalts wollte Magdalena ihrer Base schließlich auch Erfurt zeigen.
»Lass uns bitte zu Fuß gehen, Anna. Es ist ein wunderbarer Tag, und ich könnte etwas Bewegung gebrauchen.«
»Wohl zu viel Geburtstagskuchen genascht«, neckte Anna ihre Base.
»Das kann schon sein. Ich fühle mich jedenfalls dick und rund, und mein Mieder kneift.«
Dabei blähte sie die Wangen auf und verdrehte die Augen. Anna musste herzhaft lachen. Gemeinsam schritten sie die Treppe hinunter und kicherten wie früher.
»Du bist noch genauso ungestüm wie damals. Obwohl ich schon zu Joachim gesagt habe, dass du mir sehr viel ruhiger erschienst …«
Weiter kam Magdalena nicht, denn sie sah, wie sich Annas Gesichtszüge veränderten.
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