Das Hexenmal: Roman (German Edition)
wunderschönen Mariendom zeigen. In der Unterkirche stehen zwei Sarkophage, in denen Adalar und Eoban liegen sollen, Märtyrer …«
»Ach, und nicht Luther?«, fragte Anna scheinheilig.
»Nein, Luther wurde in der Schlosskirche zu Wittenberg beerdigt«, antwortete Magdalena spontan. Als sie jedoch das Glitzern in den Augen der Base entdeckte, wusste sie, dass diese sie nur narren wollte. Kopfschüttelnd lachte sie, weil sie darauf hereingefallen war.
»Woher weißt du das alles?«, fragte Anna erstaunt über so viel Wissen.
»Joachims Onkel, Hiob von Stotternheim, Gott sei seiner Seele gnädig, hat mir stundenlang über sein geliebtes Erfurt berichtet. Er war die letzten Monate bettlägerig, und ich saß fast täglich an seiner Seite. Vieles habe ich behalten und könnte dir stundenlang erzählen …«
»Danke, aber mir knurrt der Magen«, lehnte Anna freundlich ab. Untergehakt gingen sie die Gasse entlang, bis Magdalena Anna durch einen Torbogen in den Innenhof eines unverputzten Fachwerkhauses zog, das sich über zwei Etagen erstreckte. Einige Arbeiter und Arbeiterinnen eilten lachend und grüßend an ihnen vorbei.
Freudestrahlend kam ihnen Joachim entgegen. Er küsste seine Frau liebevoll, und auch Anna wurde freudig begrüßt.
»Ihr kommt genau richtig. Wir können sofort ins Gasthaus ›Christoffel‹ gehen. Ihr seid meine Gäste«, erklärte er feierlich. Magdalena sah ihre Base lachend an, plusterte die Wangen auf und zeigte mit den Händen einen deutlich größeren Umfang ihres Leibes. Anna verstand, was sie meinte, und kicherte. Beide
Frauen freuten sich über seine Einladung, zumal es heiß war und sie Durst hatten.
Am Wirtshaus »Christoffel« zeigte Joachim auf ein gut sichtbares Strohbüschel, das oberhalb des Eingangstores in einem Loch in der Wand steckte. Erfreut rieb er sich die Hände.
»Heute ist unser Glückstag! Das Stroh bedeutet, dass sie frisch gebrautes Bier haben!«
Das Wirtshaus »Christoffel« in der Michaelisgasse war gut besucht. Joachim nickte nach rechts und links, gab einigen die Hand und ging zum letzten freien Tisch. Eilends kam ein junger Bursche, gekleidet in das gleiche dunkelgrüne Wams wie die übrigen Bediensteten, und fragte höflich: »Was darf ich Euch kredenzen?«
Joachim fragte die beiden Frauen nicht nach ihren Wünschen, sondern bestellte Thüringer Bratwurst und für jeden ein Bier.
»Wenn du schon in Erfurt weilst, liebe Anna, dann solltest du unbedingt die besten Thüringer Bratwürste probieren.«
Dankend nickte Anna. Das Bier wurde serviert. Gierig nahmen die Frauen den Steinkrug in beide Hände und tranken. Joachim wischte sich den Mund trocken und erklärte Anna: »Es kommt auf die Gewürze an. Kümmel muss in die Füllmasse, und diese darf nur locker in den Darm gestopft werden. Probiere selbst, ob ich Recht habe.«
Joachim vertilgte bereits die zweite Wurst, als Anna nach einigen Bissen erklärte: »Ich gebe es nur ungern zu, aber ich habe wirklich noch nie bessere Thüringer Würste verspeist.«
»Ich habe Anna versprochen, ihr das Stotternheimsche Palais zu zeigen. Möchtest du uns begleiten?«
»Ich muss leider zum Waidspeicher zurück, da ein Wollweber größere Mengen Waidpulver erwerben wird. Danach muss ich zurück zum Kontor, um die Steuern zu berechnen«, entschuldigte sich Joachim bei seiner Frau.
»Wie kann man aus einer Pflanze Pulver gewinnen? Malt man sie, wie der Müller das Korn des Weizens?«
»Es wäre schön, wenn das so einfach wäre. Die Farbpulvergewinnung ist jedoch sehr aufwändig und ein langwieriger Prozess.« Interessiert sah Anna ihn an, und Joachim erklärte ihr den Vorgang: »Man könnte glauben, dass die Blüte mit ihren Samenkörnern für die Farbgewinnung wichtig ist. Bei der Waidpflanze sind aber die Blätter dafür verantwortlich«, sagte er, bevor er einen tiefen Zug aus seinem Bierkrug nahm. »Die Blätter der Pflanze werden im fließenden Gewässer gewaschen und auf Wiesen zum Trocknen und Anwelken ausgebreitet. Danach werden die welken Waidblätter in den Waidmühlen zu Brei zerquetscht und zerrieben. Aus diesem Brei formen Frauen faustgroße Waidballen, die nun gänzlich getrocknet und anschließend eingelagert werden. Im Herbst und während der Wintermonate, wenn auf den Feldern die Arbeit ruht, wird dieser Ballenwaid von den Waidknechten zerschlagen, zu Haufen aufgeschüttet und mit sehr viel Wasser begossen. Über mehrere Wochen gären die Haufen und entwickeln große Hitze und Dämpfe. In dieser
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