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Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Das Hexenmal: Roman (German Edition)

Titel: Das Hexenmal: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Franziskanerkloster nach Mainz führen. Unterwegs schilderte Bruder Kuno dem Vierzehnjährigen, was ihn dort erwarten würde. Wieder hörte der Junge aufmerksam zu. Der ältere Franziskaner erklärte ihm, dass er Christian dem Orden zuerst als Kandidaten vorstellen würde. Der Junge hätte so die Möglichkeit, das Leben in der Ordensgemeinschaft zunächst einmal kennenzulernen. Außerdem musste nicht nur er, der Kandidat, für sich entscheiden, ob er sein Leben bei den Franziskanern verbringen wollte, sondern auch die Glaubensbrüder wollten sichergehen, dass Christian in ihre Gemeinschaft passte. Erst wenn beide Seiten zustimmten, wäre er als Anwärter aufgenommen und dürfte sich Postulant nennen.
    Die nächsten ein, zwei Jahre sollten der eigenen Prüfung und dem besseren Kennenlernen dienen. Danach wäre er ein Novize, der sich innerhalb eines Jahres der endgültigen Prüfung, der ewigen Profess, unterziehen müsste.
    Christian konnte es kaum erwarten, am Klosterleben teilzuhaben. Der Herbst war bereits mit seinen Stürmen übers Land gezogen. Regen und Schnee waren die ständigen Begleiter der beiden Wanderer. Schon seit Tagen plagte Husten und Schnupfen den älteren Mönch, als sie endlich von Weitem das mächtige Bauwerk des Klosters erkennen konnten. An den rechten und linken Flügel des Gebäudes schloss sich nahtlos eine über zwei Meter hohe Ringmauer an, die den offenen Teil einsäumte.
    Rechtzeitig zur Mittagsstunde erreichten sie die Klosterpforte, in der sich eine kleine Fensteröffnung befand. Bruder Kuno zog an einem Strick, und sogleich ertönte im Innern des Gebäudes ein schwaches Glockenläuten. Kurz danach wurde das Holztürchen in dem kleinem Fenster geöffnet, und ein Franziskaner blickte hindurch. Sofort erkannte er Bruder Kuno, öffnete die Klostertür und umarmte ihn herzlich. Als er Christian
gewahr wurde, lachte er ihn freundlich an und sagte: »Ah, du bringst uns einen neuen Schützling, Bruder Kuno. Sei willkommen, junger Freund.«
    Christians Unbehagen vor dem fremden, großen Gebäude wich, und Vorfreude breitete sich in seinem Körper aus. Gespannt folgte er den beiden Brüdern, die sich rege unterhielten, in den Pfortenraum. Der Franziskaner stellte sich Christian als Bruder Paschalis vor und führte die Gäste einen Gang entlang in das Refektorium.
    Fast hundert Mönche saßen auf groben Holzbänken vor ebenso grob gehauenen Tischen und warteten auf ihr Mittagsmahl. Bruder Kuno wurde freudig begrüßt und der Junge an seiner Seite kritisch beäugt.
    Wohlriechender Essensduft zog durch den Raum und Christian spürte, wie ihm der Magen knurrte. Sie wurden an einen freien Platz geführt. Da die Gäste die Sext, das Mittagsgebet in der Hauskapelle verpasst hatten, sprach Bruder Kuno mit Christian nur ein kurzes Dankgebet. Danach stand sogleich eine Holzschüssel mit Gemüse und frischgebackenes Brot vor ihnen. Ein Krug dunkles Bier rundete das Mahl ab.
    Christian griff beherzt zu und war mit seinem neuen Leben zufrieden.

    Nachdem er als Postulant akzeptiert worden war, bekam er den Habit, der vom Zingulum gehalten wurde. Außerdem wurde sein Haupt geschoren. Nur ein Kranz hellbrauner Haare blieb stehen. Kuno erklärte dem Jungen, dass die Tonsur in den Klöstern das Zeichen der Übereignung an Gott war. Und schließlich wurde ihm ein neuer Name zugewiesen. Christian nannte sich fortan Burghard.
    Der Sommer ging, und wieder kündigten Stürme, Hagel und Regen einen weiteren bitterkalten Winter an. Mit diesem setzte
auch das harte Klosterleben ein. Für den mittlerweile Siebzehnjährigen war es noch immer eine große Überwindung, nachts zum Gebet und zum gemeinsamen Singen in die eiskalte Kapelle zu gehen. Da der Orden arm war, wurde dieser Raum nur sonntags geheizt. So zitterten die betenden Mönche, und ihr Atem verflüchtigte sich wie weißer Rauch. Schließlich war es Pflicht, jede Nacht um zwei Uhr früh für zwei Stunden zum Nachtchor in der Kapelle zu erscheinen. Nach kurzer Ruhepause in ihrer Zelle wurde um halb sechs die Lesehore abgehalten. Dabei lasen die Brüder jeder für sich eine neue und eine alte Schrift. Anschließend folgte die Messe in der Hauskapelle. Erst nach dem Invitatorium, dem Bitten: »Herr, öffne meine Lippen!«, durften die Franziskaner im gemeinsamen Speisesaal, dem Refektorium, frühstücken und sich unterhalten.
    Der gesamte Tag im Kloster war dem Beten gewidmet. Entweder allein oder in der Gemeinschaft.
    In der wenigen freien Zeit, die Burghard

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