Das Hexenmal: Roman (German Edition)
wenigstens in der Familie, nicht wahr, Casper?«
Bonner, der nun schon sehr dem Alkohol zugesprochen hatte, hieb mit dem Krug auf den Tisch, dass es nur so krachte und dröhnte: »Lass mir diesen Menschen aus dem Spiel. Wenn ich ihn nur schon sehe, läuft mir die Galle über. Der bringt es fertig, sich gegen uns zu stellen, dann kommt das Miststück frei.«
Auch Harßdörfer hatte schon einige Liter Bier in seinem dicken Bauch, war aber noch nüchtern genug, um aus Bonners Worten etwas herauszuhören, das ihn hellhörig werden ließ. Aber da er wusste, dass der Großbauer seinen Schwager noch nie sonderlich hatte leiden können, schob er seine Bedenken beiseite.
»Ich könnte allerdings …«, mischte sich der Pastor ein, »… anwesend sein, um auch sicherzugehen, dass alles im Sinne der Wahrheitsfindung getan wird.«
Holzschur war noch nie bei einer peinlichen Befragung dabei gewesen. Aber der Gedanke erregte ihn, dass er nun vielleicht die Möglichkeit dazu bekommen würde.
»Also, Casper, ich glaube, dass es besser ist, wenn wir uns morgen im Bürgermeisteramt treffen. Schlaf eine Nacht darüber, und wenn du dann noch immer die Anklage erheben möchtest, werde ich den Amtmann rufen, den Notar bestellen und die Klage bei den Spruchkörpern der Juristischen Fakultät in Erfurt oder Mainz einreichen. Dann müssen wir abwarten, was die gelehrten Juristen uns anraten werden.«
»Was haben die ›Spruchkörper‹ damit zu tun? Duderstadt ist doch eigenständig und groß genug, um es selbst abhandeln zu können.«
»Ja, aber das ist die reguläre Vorgehensweise, Casper. Die Spruchkörper garantieren in so einem Fall die Rechtssicherheit, denn einem Beamten vor Ort könnte man doch Parteilichkeit oder, noch schlimmer, Bestechlichkeit vorwerfen. Ein Jurist aus Erfurt oder gar Mainz beurteilt den Fall jedoch neutral. Doch ich habe jetzt zu viel Bier getrunken und keine Lust mehr, weiter über das Ganze zu sprechen.«
Bonner ging nicht darauf ein, sondern gab dem Wirt ein Zeichen, die Krüge nochmals aufzufüllen.
»Das wird großes Aufsehen erregen, wenn bekannt wird, dass auf deinem Hof eine böse Frau gearbeitet hat. Zwar gibt es immer wieder mal Gerede über einzelne Frauen, doch in meiner Amtszeit hat bisher niemand den Mut gehabt, Anschuldigungen laut auszusprechen. Meine Hochachtung, Bonner, dass du nicht kneifst.«
»Wie ich schon erklärte, ist mir daran gelegen, Schaden von anderen abzuwenden. Nicht nur bei mir ist Seltsames geschehen,
wofür ich dem Weib die Schuld gebe. Auch die Kuh von Bauer Heine gibt keine Milch mehr. Wer weiß, wen sie alles mit Schadenszauber belegt hat. Ich will sie fort haben von hier, egal, wie.«
»Warum machen wir nicht einfach die Wasserprobe?«, warf der Pastor ein. »Geht sie unter, ist sie unschuldig. Bleibt sie oben, so gilt sie als schuldig, da das reine Wasser sie nicht aufnehmen will.«
»Wo sollte die Probe stattfinden? Etwa am Mühlenteich hier in Hundeshagen? Dann geht dort niemand mehr sein Korn mahlen, weil jeder glaubt, dass das Weib das Wasser verhext hat«, widersprach der Bürgermeister kopfschüttelnd.
»In Duderstadt gibt es den Paradiesgraben mit dem Paradiesteich. Ist sie unschuldig, kann sie sogleich in den Garten Eden fahren«, machte der Pfarrer einen zweiten Vorschlag.
»Im Paradiesgraben? Wurde dort schon einmal die Wasserprobe vollzogen?«, wollte Bonner wissen. »Stammt daher der Name?«
»Soweit mir bekannt ist, wurden dort vor zweihundert Jahren schon einmal Ehebrecherinnen und Kindsmörderinnen ertränkt. Von Hexenproben weiß ich zwar nichts, aber es gibt immer ein erstes Mal«, gackerte der Pastor und fuhr sich wieder mit der Zunge über die Handfläche. Bonner wandte sich angeekelt ab und meinte: »Was werden die Leute sagen, wenn die ›Spruchkörper‹ sie zum Tode verurteilen?«
»Die Hexe wird kein Mitleid erwarten können, zumal sie nicht von hier ist. Ist sie nicht auch noch katholisch?«
Erschrocken zuckte der Bauer mit den Achseln. ›Das wäre ja noch schöner‹, dachte er, ›eine von der anderen Sorte.‹ Trotzdem war ihm nicht wohl dabei, dass das Mädchen sterben sollte. Vielleicht war es ja tatsächlich ein böses Weib. Aber dennoch wollte er sich nicht die Hände schmutzig machen. Nun war der Zeitpunkt gekommen, seinen Plan weiter voranzutreiben.
»Hör zu, Albrecht«, sprach Bonner. »Ich habe gehört, dass so genannte Hexen dem Tod entgehen können, wenn sie den Henker ehelichen. Kennst du solch einen
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