Das Hiroshima-Tor
wurde.
Timo bemerkte die etwas größere Welle erst, als seine Schuhe nass waren. Er machte einen Satz nach hinten. Genauso war es
Aaro ergangen, als sie im September den Ausflug nach Ostende gemacht hatten.
Jener September: die ganze Welt schien damals so weit weg wie der Horizont vor ihm. In jene Welt gab es kein Zurück mehr,
es musste eine neue geschaffen werden. Und was zu dieser Welt gehörte, das hing ausschließlich von ihm selbst ab.
Auf jeden Fall das Haus, das auf die Renovierung und neue Bewohner wartete. Soile hatte gesagt, sie sei bereit, es noch einmal
mit ihm zusammen zu versuchen, aber Timo war sich noch nicht sicher.
Mit seinen nassen Schuhen ging er zur Straße zurück.
Sein Telefon klingelte. Aaro. Der Junge sitzt in Porvoo und vermisst seinen Vater, und der läuft hier träumend am Strand entlang,
dachte Timo beschämt.
»Hallo«, sagte Aaro munter. »Bei
Sonera
gibt’s jetzt ein Flatrate-Angebot, und Oma hat auch gesagt, wir bräuchten das hier ...«
»Tatsächlich?«, sagte Timo mit einem trockenen Lächeln auf den Lippen. So viel zur Sehnsucht seines Sohnes. »Wir reden morgen
darüber, wenn ich komme.«
»Du klingst irgendwie müde. Ist alles okay?«
|439| Timo war gerührt über diese aufrichtig klingende Besorgnis des Jungen.
»Ja. Jetzt ist alles in Ordnung. Wir seh’n uns morgen«, sagte er sanft und legte auf.
Der Himmel wurde dunkler, und es fielen erste warme Regentropfen. Timo blickte aufs Meer, regungslos und lange, ohne sich
um den Regen zu kümmern. Dann zog er das blutbefleckte Blatt aus dem Gedichtband von Wisława Szymborska aus der Tasche und
begann zu lesen.
Ich glaube an die große Entdeckung.
Ich glaube an den Menschen, der die Entdeckung macht.
Ich glaube an die Angst des Menschen, der die Entdeckung macht.
Ich glaube an die Blässe seines Gesichts,
an seinen Brechreiz, den kalten Schweiß auf der Lippe.
Ich glaube an das Verbrennen der Niederschriften,
an ihr Verbrennen zu Asche,
zur letzten.
Im Regen wurden Timos Haare nass, das Wasser lief ihm über die Wangen, als er bei den letzten Strophen des Gedichts ankam.
Ich glaube an die lässige Hand,
ich glaube an die verpfuschte Karriere,
ich glaube an die vertane Arbeit von vielen Jahren.
Ich glaube an das ins Grab genommene Geheimnis.
Mir kreisen diese Worte über den Regeln.
Sie suchen keine Stütze bei den Exempeln.
Mein Glaube ist fest, blind und ohne Begründung.
Langsam faltete er das Blatt zusammen, steckte es ein und machte sich auf den Weg. Der Regen wurde stärker, aber das störte
den Mann nicht, der in nassen Schuhen am Ufer entlangging und sich das Wasser von den Wangen wischte.
Informationen zum Buch
Paris. Auf der Brücke Pont Marie wird eine Aktentasche in die Seine geworfen, eine Frau springt hinterher, ein Mann folgt.
Der Mann taucht wieder auf – die Frau wird tot geborgen. Doch sie ist nicht ertrunken. Jemand hat ihr unter Wasser die Kehle
durchgeschnitten ... Die Jagd nach einer geheimnisvollen Diskette ist eröffnet. Timo Nortamo von der europäischen Anti-Terror-Organisation
TERA gerät in ein Labyrinth aus mittelalterlichen Karten, genetischen Codes und Echos des Kalten Krieges. In diesem Labyrinth
wird der Jäger zum Gejagten, und Außenstehende werden zu Opfern. Die geheimsten operativen Einheiten der Großmächte liefern
sich ein immer gefährlicheres Kopf-an-Kopf-Rennen, bei dem sie vor keiner Maßnahme zurückschrecken, um etwas in ihren Besitz
zu bekommen, das es eigentlich gar nicht geben dürfte.
Informationen zum Autor
Ilkka Remes
ist der meistgelesene Autor in Finnland. Sein Name ist Garant für hochkarätige Spannungsliteratur von internationalem Format.
Remes wurde 1962 im südostfinnischen Seengebiet geboren. Sein erster Thriller ›Pääkallokehrääjä‹ (›Der Totenkopffalter‹) erschien
1997 in Finnland und wurde auf Anhieb zum Bestseller. Seither setzen sich seine Bücher regelmäßig an die Spitze der Bestsellerliste.
www.ilkka-remes.de
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