Das Höllenschiff: Historischer Kriminalroman
wanderten zwischen den Männern hin und her. Offenbar war sie von dieser plötzlichen Entwicklung genauso irritiert wie Gadd.
Lasseur schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht wichtig. Hier geht es um die große Sache.«
»Also deshalb warst du so besorgt um meine Gesundheit«, sagte Hawkwood. »Deshalb wolltest du mich überreden, hierzubleiben. Denn wenn Morgan den Überfall heute Nacht durchzieht, dann käme jede Nachricht, die ich morgen von Barham schicken würde, zu spät.«
Wütend schob er den Stuhl zurück und sah zur offenen Tür. In zwei Stunden würde die Sonne untergehen. Noch war Zeit, zur Telegrafenstation in Barham zu reiten und der Admiralität und den Behörden in Deal eine Warnung zu schicken, ehe die Dunkelheit es vereitelte.
Doch würde Morgan seine Pläne heute Nacht ausführen? Würde er es riskieren, obwohl er wusste, dass die Männer, die er jagte, noch auf freiem Fuß waren? Hawkwood wusste, dass er nichts riskieren durfte, falls Morgan es tatsächlich machte.
Er drehte sich zu Jess Flynn um, die die beiden Männer immer noch völlig ratlos ansah. »Ich brauche ein Pferd, Jess! Jetzt sofort!«
»Würde vielleicht jemand so gut sein und uns erzählen, was zum Kuckuck hier los ist?«, verlangte Gadd. »Was bedeutet dieses ganze Gefasel von Gold?«
»Morgan hat vor, die Admiralität in Deal zu überfallen und die Geldkisten der Armee zu rauben«, sagte Hawkwood. »Das Gold will er den Franzosen verkaufen. Und möglicherweise macht er es heute Nacht. Captain Lasseur hier möchte, dass es ihm gelingt. Ich möchte ihn daran hindern.«
»Oh, verflucht!« Gadd machte einen Schritt rückwärts. Hawkwood wandte sich an Lasseur. »Was jetzt, Captain? Werden Sie jetzt versuchen, mich daran zu hindern?«
Lasseur lächelte traurig. »Ich hatte nicht erwartet, dass es dazu kommt, mein Freund.«
»Ich auch nicht«, sagte Hawkwood ehrlich.
Lasseur stand vom Tisch auf. »Tut mir leid, Matthew.«
»Nein!«, rief Jess Flynn.
Hawkwood fühlte, wie seine Muskeln sich anspannten, er dachte an das Messer in seinem Stiefel und überlegte, wie schnell er es erreichen konnte.
»Am besten bleiben Sie, wo Sie sind, Captain. Ich möchte Sie nicht erschießen müssen.«
»Tom!«, sagte Jess Flynn schockiert.
Hawkwood sah sich um. Gadd hatte die Vogelflinte in der Hand. Die Mündung war auf Lasseurs Brust gerichtet und Tom Gadds Finger lag am Abzug.
»Sie ist geladen, Captain, falls es Sie interessiert. Ich hab sie immer geladen, weil ich Wild für den Kochtopf schieße und man nie weiß, was im nächsten Moment aus dem Kornfeld aufsteigt. Also, ehe Sie’ne Dummheit machen, bedenken Sie, dass Sie nicht so schnell hinter dem Tisch vorkommen können, wie ich abdrücken kann.«
Lasseur hielt die Handflächen hoch und setzte sich wieder, immer noch das halbe Lächeln um den Mund.
»So ist’s besser«, sagte Gadd. »Machen Sie sich’s bequem, und wir anderen müssen mal überlegen. Die Geldkisten der Armee, sagten Sie?«
»Für Wellingtons Truppen in Spanien«, sagte Hawkwood.
»Und Morgan will sie Bonaparte geben?«
»Nein, er will sie ihm verkaufen.«
Gadd fummelte mit der Zunge an einem hohlen Zahn.
»Kann nicht behaupten, dass ich das gut finde, Old Noseys Gold den Franzosen zu geben. Ich hab in meinem Leben auch schon ein paar Guineen geschmuggelt, aber wir haben nie was von unseren Jungs geklaut. Irgendwo hört’s doch auf. Und wenn Morgan die Hand im Spiel hat, dann müsste man verdammt blöd sein, um nicht zu wissen, dass er gleichzeitig sein eigenes Nest damit polstert. Sie hatten Barham erwähnt. Meinten Sie den Telegrafen?«
»Richtig.«
Gadd richtete sich hoch auf. »Dann reiten Sie am besten sofort los. Wenn Sie jetzt gehen, schaffen Sie es, ehe es dunkel ist. Im Stall sind zwei Pferde. Nehmen Sie die Stute, die ist schneller. Das kleinere Pferd geht besser vor dem Wagen. Sie müssen auf die Straße nach Dover; nehmen Sie den Weg durch den hinteren Wald bis zur Kirche, dann weiter nach Süden. Die Straße geht direkt nach Barham Downs. Sie werden die Telegrafenstation schon sehen, sie ist oben auf dem Berg. Man kann’s gar nicht verfehlen. Den Captain behalten wir hier, solange Sie weg sind. Vielleicht kriegen wir ja auch was zu essen und zu trinken, wie wär’s damit, Jessie?« Ehe Jess Flynn Zeit hatte, zu antworten, drehte Gadd sich um. »Sind Sie immer noch da, Constable? Jetzt sprinten Sie mal los, Sie verschwenden kostbare Zeit!«
Hawkwood sah zu Lasseur. »Reisen Sie sicher,
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