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Das Hohelied des Todes

Das Hohelied des Todes

Titel: Das Hohelied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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hören müssen, wenn er zum Lagerplatz zurückgekehrt wäre.
    »Sammy?« Er probierte es noch einmal.
    Er brauchte Hilfe, je schneller desto besser. Leute … Hubschrauber … Noch war es hell genug, aber die Zeit drängte. Nachdem er die Augen noch ein letztes Mal über den menschenleeren Wald hatte wandern lassen, schlug er die Richtung zum Lager wieder ein.
    Plötzlich sprang Ginger mit geschmeidigen Sätzen davon. Als Decker und Jake sie eingeholt hatten, entdeckten sie vor einem dunklen Dickicht eine kleine, von Bäumen halb versteckte Gestalt. Decker lief auf den Jungen zu und rüttelte ihn fest an den Schultern.
    »Verdammt noch mal, Sammy!« sagte er. »Hast du mich nicht rufen hören? Du hast uns einen Mordsschrecken eingejagt!« Er drückte ihn an sich. »Warum hast du nicht geantwortet?«
    Der Junge stand stocksteif da. Decker bemerkte, daß er glasige Augen hatte.
    »Was hast du? Was ist los?«
    »Igitt!« Jake spuckte aus und starrte auf einen halb vermoderten Laubhaufen. Decker folgte seinem Blick.
    Vor ihnen lagen zwei verkohlte Skelette. Das eine war bis auf das halbe rechte Bein, das unter Laub und Erde begraben war, ganz zu sehen. Es reckte einen geschwärzten Armknochen samt Faust in die Höhe, als bäte es darum, daß man ihm auf die Beine half. Schädel und Brustbein wiesen Löcher in der Größe eines Silberdollars auf. Am Körper hingen noch vertrocknete, an der Luft verfärbte Hautfetzen.
    Das zweite Skelett war teilweise vergraben, Brustkorb und linkes Bein waren völlig mit Erde zugedeckt. Mit den Blättern, die ihm aus dem toten Mund quollen, sah es aus, als erbräche es sich. An Becken und Gliedern klebten Stücke verkohlter Haut, aber anders als das erste Skelett enthielten die Augenhöhlen und der Schädel noch tauschwere Tropfen von Gallertmasse, die in der Sonne glitzerten. Gehirn und Auge. Eine Wolke Fliegen und ein Schwarm schwarzer Käfer, die sich an den Resten gütlich taten, ließen sich durch die Anwesenheit von Zuschauern nicht stören.
    Während Decker die Jungen behutsam von diesem Ort des Schreckens wegführte, fluchte er leise in sich hinein. Typisch, daß ihn ausgerechnet im Urlaub die Arbeit einholen mußte.
    »Sind die echt, Peter?« fragte Sammy schließlich, den verstörten Blick flehentlich auf Decker gerichtet.
    »Ja, die sind echt.«
    »Was machen wir denn jetzt?« fragte Jake.
    »Ich finde, wir müssen gojmel Bentschen«, sagte Sammy leise.
    »Was ist das?« fragte Decker.
    »Das sagt man, wenn man einen Autounfall überlebt hat oder nicht an den Windpocken gestorben ist.« Jacob sah zu Decker hoch. »Mir ist nicht gut.«
    »Setz dich ein bißchen hin, Jakey. Schön tief durchatmen.«
    Der Junge versank fast in einem Laubhaufen.
    »Bete ruhig, Sam«, sagte Decker und legte dem Jungen die große Hand auf die Schulter. Er zog ein Päckchen Zigaretten aus der Gesäßtasche. Eigentlich wollte er nicht mehr soviel rauchen, aber im Augenblick hatte er eine Dosis Nikotin dringend nötig.
    »Und wenn du fertig bist«, sagte er, ein Streichholz anreißend, »rufen wir die Polizei.«
    2
    Wie die Zaunpfähle standen sie nebeneinander, Peter Decker und Ed Fordebrand von der Mordkommission der Foothill Division des Los Angeles Police Departments und Walt Beckham, Deputy County Sheriff vom Crestview National Forest Service. Im Wald wimmelte es mittlerweile von Menschen. Beamte von der Spurensicherung durchkämmten das Unterholz, Polizeifotografen schossen Blitzlichtaufnahmen, und der stellvertretende Gerichtsmediziner raunzte seine Anweisungen zum Abtransport der Leichen. Beckham rückte seine beigefarbene Uniformhose zurecht und nuckelte an seiner Pfeife. Fordebrand kratzte sich den linken Arm, auf dem sich bereits die ersten Pusteln gebildet hatten. Decker warf einen Blick auf die Jungen. Jake, der wieder etwas Farbe bekommen hatte, hielt sich in seiner Nähe auf und verfolgte fasziniert die Aktivitäten der Polizei. Sammy dagegen hatte sich ein paar Meter entfernt und hockte zusammengekauert unter einem großen Eukalyptusbaum.
    »Tolle Leistung, Deck«, sagte Fordebrand und rieb sich den Unterarm. »Dabei dachte ich, du hättest Urlaub.«
    »Ach, leck mich doch.«
    »Und auch dir ein gesegnetes Weihnachtsfest«, knurrte Fordebrand.
    Decker zuckte mit den Schultern.
    »Entschuldige«, sagte er.
    Fordebrand war ein Kraftpaket von einsfünfundachtzig, die Reinkarnation eines Brahmabullen.
    »Übernehmen Sie den Fall, Sheriff?« fragte er Beckham. »Er fällt in Ihren

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