Das Horror-Telefon
und war auf dem Trip der Zerstörung gewesen.
Seit einigen Minuten hatte er sie in Ruhe gelassen. Sie war mit ihren Schmerzen und mit ihrer Angst allein. Ihr Gesicht brannte an der rechten Wange, als hätte jemand Säure dagegen gekippt. Ihr Hals, wo sie der Ellbogenstoß getroffen hatte, fühlte sich dick und geschwollen an. Auch ihre Hüfte brannte, denn dort hatte sie ein böser Tritt des Mannes erwischt.
Hilflos fühlte sie sich.
Von allen verlassen, aber sie war noch nicht tot. Sie lebte, und dieser Wille brannte weiter.
Es gelang Yvette, sich nicht nur auf sich zu konzentrieren, sondern auch auf ihre Umgebung. Sie schaute nicht hin, sie horchte nur den Tritten des Mannes nach, als er in das Zimmer ging, eine Vase nahm und diese in einem Anfall von Wut zerschmetterte.
Wenig später stoppte er seine Schritte, weil er mit Madge Winter reden wollte.
Als Yvette den Kopf drehte, konnte sie erkennen, daß er sehr dicht vor ihr stand. Er hatte sich vorgebeugt, und seine Worte waren für beide Frauen ein Szenarium des Schreckens. Aus ihnen sprach die reine Mordlust, wobei Yvette davon ausging, daß er seinen Vorsatz auch in die Tat umsetzen würde.
Das durfte nicht geschehen, das konnte einfach nicht sein, und so leise wie möglich rollte sie sich zur Seite. Obwohl sie nach wie vor nur flach über den Boden schaute, war ihr Blickwinkel besser geworden. Tom Wade flüsterte noch immer, während er mit seinen Händen zuckte, die er als Mordwaffe einsetzen wollte.
Strangulieren, erwürgen, erdrücken!
Diese schlimmen Worte zuckten durch Yvettes Kopf, und sie fühlte sich abermals wie ein getretener Wurm, als sie über den Fußboden kroch und dabei versuchte, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen.
Er sollte ja nichts merken.
Dann sah sie die unregelmäßig verteilten Scherbenstücke der Vase dicht vor sich.
Im selben Augenblick röchelte Madge Winter auf.
Für Yvette war dieser Laut so etwas wie ein Startzeichen, das all ihre Hemmnisse überspülte.
Sie mußte etwas tun.
Ihren rechten Arm schob sie vor.
Madge würgte.
Dafür kicherte Tom böse.
Die rechte Hand der kriechenden Frau fiel auf eine Scherbe. Sie lag wie ein Dreieck vor ihr, mit der Spitze nach vorn und riß, als sie nicht aufpaßte, ein kleines Loch in ihren Mittelfinger.
Yvette hielt die Scherbe trotzdem fest.
Eine Waffe…
Sie holte zu laut Luft, bekam Angst, die unbegründet war, weil Tom Wade nur an sich und seine Tat dachte.
Yvette stand auf.
Jede ihrer Bewegungen bekam sie sehr genau mit, und trotzdem hatte sie das Gefühl, daß sie nicht die Person war, die auf den Mann vor ihr zuging. Sie erlebte einen Traum, das mußte einfach ein Traum sein. So schlimm konnte die Wirklichkeit nicht…
Da zuckten die Beine ihrer Freundin. Die Hacken sahen aus, als wollten sie sich in den Boden wühlen, um sich dort abzustemmen, aber sie rutschten immer wieder vor.
Und Tom lachte.
Yvettes Gesicht verzerrte sich. Für einen Moment zeigte es keinen menschlichen Ausdruck mehr. Sie lief vor, sie drückte ihre Füße hart gegen den Untergrund, sie stützte ihr rechtes Handgelenk jetzt mit der Linken ab.
Die Scherbe schwebte über Tom Wade, über seinem Nacken.
»Mörder…!« brüllte sie und rammte ihre Waffe nach unten. Dann fiel sie zur Seite…
***
Blut schoß aus der Wunde hervor, als hätte jemand eine Fontäne angestellt. Der Mann war in die Höhe geschnellt, die Hände hatten sich vom Hals seines Opfers gelöst, und auch Madge konnte wieder frei atmen, obwohl sie das kaum mitbekam und rein intuitiv so reagierte. Sie konnte auch nicht sehen, was mit Wade geschah, sie war ebenso am Ende wie ihre Freundin Yvette, die ihr Gesicht gegen den Teppich gepreßt hielt und nur den fürchterlichen Lauten nachhorchte, die sich aus dem weitgeöffneten Mund des Mannes lösten.
Dann hörte sie einen dumpfen Fall.
So schwer, daß sie die Vibrationen des Bodens selbst mitbekam.
Danach nichts mehr von ihm. Es dauerte eine Weile, bis sie in der Lage war, den Kopf in eine bestimmte Richtung zu drehen.
Der Schock war schlimm.
Tom Wade lag am Boden. Er war tot, der Teufel hatte ihm nicht geholfen. Beim Fall hatte sich der Kopf zufällig in die Richtung gedreht, in die Yvette schaute.
Diese schreckliche, bleiche Maske mit den weit geöffneten, blicklosen Augen würde sie nie vergessen. Ebenfalls nicht die Zunge, die sich aus dem offenen Mund geschoben hatte und zwischen den Zähnen wie festgeklemmt wirkte. Und natürlich nicht das Blut, das den
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