Das Hospital der Verklärung.
fast zu ruhig. Er schmunzelte gar; sein Umhang raschelte bei jeder Bewegung. Nun winkte er Sekulowski wie einem Kind mit dem Zeigefinger: »Komm.«
Sekulowski machte einen Schritt und fiel plötzlich auf die Knie. »Gnade, Gnade … ich will leben. Ich bin gesund.«
»Genug!« Hutkas Stimme überschlug sich. »Du Verräter! Deine unschuldigen verrückten Brüder hast du ausgeliefert …«
Zwei Schüsse knallten hinter dem Haus. Die Fensterscheiben zitterten gläsern, im Schrank klirrten die Instrumente.
Sekulowski umklammerte Hutkas Stiefel, die Schöße seines Arztkittels bauschten sich bei dieser Bewegung. In einer Hand hielt er noch das Gummihämmerchen.
»Franke!«
Wieder trat ein SS-Mann ein. Er packte Sekulowski mit solcher Macht an den Schultern, daß der Dichter, ungeachtet seiner Beleibtheit und Größe, wie eine Stoffpuppe hochgerissen wurde.
»Meine Mutter war Deutsche!« kreischte er, als er hinausgezerrt wurde, und versuchte krampfhaft, sich loszureißen, indem er sich an die Tür klammerte; doch wagte er nicht, die auf ihn niederprasselnden Schläge abzuwehren. Franke hob seine Waffe und begann, mit dem Kolben methodisch auf Sekulowskis Finger zu klopfen, die sich am Türpfosten festkrallten.
»Gnaaade! Heilige Mutter Gottes ….!« heulte Sekulowski. Dicke Tränen rannen über sein Gesicht.
Der SS-Mann verlor allmählich die Geduld. Er kam nicht los von der Schwelle, denn Sekulowski hatte sich wieder an die Türklinke gehängt. Er umfaßte ihn also, beugte sich vor, spannte alle Muskeln an und zerrte aus vollerKraft. Sie flogen bis in den Flur, wo Sekulowski polternd auf die Steinfliesen stürzte. Der Deutsche zeigte noch einmal sein verschwitztes Gesicht, das gerötet war von der Anstrengung. »Dreckige Arbeit!« sagte er und warf die Tür ins Schloß.
Das Fenster der Apotheke ging auf eine große Hecke hinaus, deren unebene Konturen Schatten in den Raum warfen. Etwas weiter abseits standen vereinzelt Bäume. Dahinter ragte eine blinde Mauer auf. Das Geschrei der Kranken und die heiseren Stimmen der SS-Leute drangen zwar gedämpft, aber deutlich herein. Plötzlich peitschten Gewehrschüsse in die angespannte Stille des Raumes. Sie fielen dicht, unterbrochen nur von einem dumpfen Laut wie von fallenden Säcken. Danach wieder Stille. Eine entsetzliche Stimme rief: »Wei-tere zwan-zig Figuuuren!«
Die Schüsse klatschten gegen die Mauer. Zuweilen kündete ein klagendes, hart abbrechendes Pfeifen, daß sich eine Kugel verirrt hatte. Dann wieder ratterte ein Maschinengewehr. Vorwiegend waren jedoch Einzelfeuerwaffen in Aktion. Wenn eine Pause eintrat, hörte man knirschende Schritte, den monotonen Ruf: »Wei-tere zwan-zig Figuuu-ren!«
Und dann zwei, drei Pistolenschüsse, hell und kurz, wie knallende Sektkorken.
Einmal erhob sich ein markerschütterndes Kreischen, das nicht aus menschlicher Kehle zu stammen schien. Dann wieder klang es aus den oberen Stockwerken wie Lachen und Weinen zugleich; es währte lange.
Die Ärzte saßen da, ohne sich zu rühren, und starrten wortlos vor sich hin. Stefans Sinne waren fast völlig abgestumpft. Anfangs konnte er noch einige halbwegs klare Gedanken fassen, etwa daß Hutka, dem doch jede Situationüber den Kopf zu wachsen scheine, mit allem glänzend fertig werde … oder daß selbst der Tod sein Eigenleben habe … Diese letzte Überlegung jedoch wurde durch den gellenden Ruf eines SS-Mannes jäh unterbrochen; jemand versuchte wohl zu fliehen. Zweige knackten, das rote Herbstlaub vor dem Fenster rieselte dichter herab, und aus nächster Nähe hörte man keuchenden Atem und das Niederprasseln des im Lauf aufgewirbelten Kieses.
Ein Schuß schlug ein wie der Blitz. Ein Schrei bäumte sich auf und verröchelte.
Schnellfüßige Wolken, die alle Augenblicke ihre Gestalt wechselten, füllten den im Fenster sichtbaren Himmelsstreifen aus. Nach zehn Uhr verstummten die Schüsse, und eine Art Entspannung trat ein. Indes ratterten schon eine Viertelstunde später von neuem Maschinengewehre. Die Stille belebte sich wieder durch das Heulen der Wahnsinnigen und die heiseren Stimmen der SSLeute.
Um zwölf Uhr vernahmen die Ärzte nur noch regelmäßige, schwere Schritte rings um das Haus. Ein Hund bellte. Eine Frau kreischte. Plötzlich sprang die Tür auf, die keiner mehr beachtet hatte, und der ukrainische Feldwebel trat ein.
»Raus, aber schnell!« rief er von der Schwelle. Hinter ihm tauchte der Stahlhelm eines Deutschen auf.
»Alle raus!« schrie der, die
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