Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hospital der Verklärung.

Das Hospital der Verklärung.

Titel: Das Hospital der Verklärung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
unterdrücken.
    »Wissen Sie nicht, wo Pajączkowski hingegangen ist?«
    »In den Garten«, antwortete Rygier und schluckte erneut.
    »Weshalb?«
    »Mit dem Pfarrer. Sicherlich um zu beten.«
    »Ach so.«
    Als Sekulowski Stefan bemerkte, trat er aus der Bibliothek.
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Ich muß mich ein bißchen ins Bett legen, ich habe einfach keine Kräfte mehr. Wir werden sie am Morgen noch brauchen können, meine ich.«
    In dem weißen Kittel sah Sekulowski dicker aus als sonst. Der Gürtel war ihm zu kurz; er hatte ihn mit einem Stück Binde verlängert.
    »Ich bewundere Sie. Ich … ich … könnte das nicht.«
    »Ach was. Kommen Sie mit zu mir.«
    Auf der Treppe bemerkte Stefan ein Paket, das an der Heizung lehnte. Richtig, das war ja von dem Jungen. Er nahm es an sich und wickelte es neugierig auf. Es war ein Kopf mit Stahlhelm, über der Oberlippe noch mit dem Steinblock verbunden, aus dem er geformt war. Die Augen gequollen und die Wangen aufgeblasen. Der unsichtbare, im Stein versunkene Mund schrie.
    In seinem Zimmer stellte Stefan die Skulptur unsanft auf den Tisch, zog die Wolldecke vom Bett, schob einen Stuhl heran und ließ sich in die Kissen fallen. In diesem Augenblick stürmte Rygier ins Zimmer. »Hören Sie … Der junge Pościk ist da und will sechs Kranke mitnehmen. Er führt sie durch den Wald nach Nieczawy. Möchten Sie nicht mit, Herr Sekulowski?«
    »Wer ist da?« Stefan bewegte nur tonlos die Lippen. Sein Flüstern ging unter in den Worten des Dichters: »Wer?« Was für Kranke?«
    Stefan richtete sich auf; er konnte der Schläfrigkeit nur mühsam Herr werden.
    »Na, der junge Pościk, der Sohn von dem Elektriker … Er ist aus dem Wald gekommen und wartet unten«, sagte Rygier ungeduldig, dessen Rausch verflogen schien. »Er nimmt alle mit, die der Alte nicht mit seinem Luminal betäubt hat. Wie ist das, gehen Sie nun mit oder nicht?«
    Der Dichter sprang erregt vom Stuhl auf. Seine Hände zitterten. »Mit den Verrückten zusammen? Jetzt gleich? Soll ich’s wagen?« fragte er Stefan. Der antwortete nicht. Völlig überraschend war da ein Mensch aufgetaucht, der die ganze Zeit in seiner Nähe gewesen sein mußte, ohne daß er davon etwas geahnt hatte.
    »Ich kann Ihnen in einer solchen Lage nicht raten …«
    »Nach der Polizeistunde … und auch noch mit Verrückten…« überlegte Sekulowski halblaut. »Nein!« sagte er dann etwas lauter. Als Rygier zur Tür stürzte, rief er ihm nach: »Aber warten Sie doch!«
    »Sie müssen sich entscheiden! Er kann nicht warten, es sind zwei Stunden Weg durch den Wald!«
    »Was ist das eigentlich für einer?« Sekulowski fragte offenbar nur, um Zeit zu gewinnen. Seine Finger zerrten nervös an dem Knoten des Leinengürtels.
    »Sind Sie taub? Ein Partisan! Eben eingetroffen. Dem Pajączkowski hat er gleich eine Szene gemacht, weil die Kranken von ihm Luminal bekommen haben …«
    »Kann man sich auf den verlassen?«
    »Das weiß ich doch nicht! Also gehen Sie nun mit oder nicht?«
    »Und der Pfarrer?«
    »Der bleibt hier. Also was?«
    Sekulowski schwieg. Rygier zuckte mit den Schultern und rannte hinaus. Die Tür schlug krachend zu. Der Dichter folgte ihm einen Schritt und blieb wieder stehen. »Vielleicht doch …?« fragte er unschlüssig.
    Stefan vermochte den Kopf kaum noch zu halten. Er murmelte etwas.
    Daß der Dichter im Zimmer auf und ab ging und redete, hörte er zwar, aber er war nicht mehr imstande, den Sinn seiner Worte zu erfassen. Der Schlaf übermannte ihn. »Legen Sie sich doch hin!« konnte er noch sagen; dann schlief er auf der Stelle ein.
    Ein greller Lichtstrahl weckte ihn. Ein Schlag traf seinen Arm. Er öffnete die Augen und rührte sich nicht; es war noch dunkel im Zimmer, denn er hatte am Abend die Jalousien heruntergelassen. Vor seinem Bett standen mehrere hochgewachsene Männer. Instinktiv hielt er die Hand vors Gesicht, denn einer leuchtete ihn mit der Taschenlampe an.
    »Wer bist du?«
    »Ach, laß ihn. Der ist Arzt«, rief von hinten eine Stimme, die Stefan bekannt vorkam. Er sprang auf. Die drei Deutschen gaben ihm den Weg frei. Sie trugen Wachstuchmäntel und hatten Maschinenpistolen geschultert. Die Korridortüre war offen. Schwere, eisenklirrende Tritte hallten von dort herüber.
    Sekulowski stand in der Ecke. Stefan bemerkte ihn erst, als der Deutsche den Lichtkegel auf ihn richtete.
    »Auch Arzt, wie?«
    Sekulowski brachte hastig einige Sätze in deutscher Sprache heraus. Seine Stimme war brüchig. Sie schritten

Weitere Kostenlose Bücher