Das Hotel (German Edition)
Verschwinden des Desserts, das sich über Nacht praktisch in Luft aufgelöst hatte. Und natürlich fiel das auf.
«Hattest du nicht gestern Tiramisu vorbereitet?», fragte Veronika erstaunt, als sie den Kühlschrank öffnete, um die Butter und den Aufschnitt für den Frühstückstisch herauszuholen. «Es ist nicht mehr da.»
Mascha hatte Zeit genug gehabt, sich eine überzeugende Ausrede einfallen zu lassen. «Bitte, mach kein Aufheben darum», sagte sie gespielt ärgerlich. «Glücklicherweise habe ich es noch in letzter Sekunde zufällig gemerkt, dass ich versehentlich zu viel Salz zugegeben hatte. Es schmeckte schauerlich, und ich hab’s weggeworfen.»
«Das passiert dir doch sonst nicht.» Veronika sah sie erstaunt an. «Seit dieser Conte da ist, spielen alle verrückt. Jenny wagt sich aus ihrem Schneckenhaus, du verwechselst Salz und Zucker.» Sie lachte auf. «Weißt du, was man bei uns sagt, wenn das Essen versalzen ist? Dass die Köchin verliebt ist!» Immer noch lachend, trug sie die Butterschälchen hinaus und bekam so Maschas Reaktion auf ihre eher scherzhaft gemeinte Bemerkung nicht mit.
War sie verliebt?
Maschas erster Impuls war, laut und entschieden «Blödsinn!» zu sagen. Sie war doch nicht verliebt in Lou. Jenny vielleicht. Die himmelte ihn dermaßen offen an, dass es schon peinlich war. Sie, Mascha, würde sich auf keinen Fall eine solche Blöße geben. Mit diesem Vorsatz trug sie die Kaffeekanne zum Frühstückstisch. Ungehalten bemerkte sie, dass Jenny bereits unverfroren Lous Aufmerksamkeit beanspruchte. Eng aneinandergeschmiegt, teilten sie sich die Ohrstöpsel, und ihre Köpfe wippten im Takt der für andere nicht hörbaren Musik.
«Frühstück», sagte Mascha so laut, dass sie selbst erschrak. Augenblicklich reagierte zumindest Lou. Er riss sich den Stöpsel aus dem Ohr, wandte sich um und lächelte sie so strahlend an, dass Mascha nicht anders konnte, als zurückzulächeln.
«Entschuldige», meinte er zerknirscht. «Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, dass ich eigentlich hatte helfen wollen. Vielleicht habe ich zu wenig geschlafen.» Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Obwohl weder Veronika noch Jenny den kurzen Blickwechsel mitbekommen hatten, empfand Mascha eine gewisse Verlegenheit. Immer, wenn sie Lou anschaute, sah sie ihn nackt vor der Spüle stehen und sich die Reste der Creme von seinem Körper wischen.
«Ich hoffe, daran war nicht das Zimmer schuld?» Veronika betrachtete ihn besorgt, während sie innehielt und die Kaffeekanne abstellte, aus der sie allen eingegossen hatte. «Möchtest du ein anderes? Bis heute Abend hast du noch die freie Wahl.»
«Um Gottes willen, nein», wehrte Lou entsetzt ab. «Das Zimmer ist wunderbar. Vermutlich ging mir einfach nur zu viel im Kopf herum.» Er lächelte beschwichtigend in die Runde. «Mir gefällt es ausgezeichnet hier bei euch drei Grazien.»
«Ich muss nachher zur Bank», sagte Veronika sachlich, ohne auf das unverblümte Kompliment einzugehen. «Möchte jemand mitfahren?»
«Nein, danke», wehrte Jenny rasch ab. «Ich wollte noch ein paar Songs runterladen, von denen Lou vorhin gesprochen hat. Vielleicht will er mir ja dabei Gesellschaft leisten?» Sie lächelte ihn besitzergreifend an.
«Und ich muss das Abendessen vorbereiten», erklärte Mascha und warf Jenny einen giftigen Seitenblick zu. «Schließlich kommen heute zwei weitere Gäste. Vielleicht könnte Lou mich da bei der Auswahl beraten?»
«Gut, dann fahre ich eben allein», entschied Veronika und dachte bei sich, dass ihre Freundinnen genauso gut offen um Lous Aufmerksamkeit buhlen könnten. Hoffentlich führte das nicht zu unangenehmen Auseinandersetzungen.
In Gedanken versunken, stieg sie in ihren alten Wagen und drehte den Zündschlüssel. Nichts. Sie versuchte es noch mal. Wieder nichts. Verdammt! Musste die Mistkarre ausgerechnet jetzt den Geist aufgeben? Dabei hatte sie gestern noch einwandfrei funktioniert.
Hoffentlich kostete die Reparatur nicht ein Vermögen.
Als sie mit sorgenvoll gerunzelter Stirn ins Haus zurückkehrte, um die Reparaturwerkstatt anzurufen, lief sie Lou geradewegs in die Arme.
«Ärger mit dem Wagen?», erkundigte er sich mitfühlend. «Springt er nicht an? Soll ich mal einen Blick drauf werfen?»
«Verstehst du denn was von Autos?» Veronika konnte sich das nicht vorstellen.
«Ein bisschen.» Lou schien keineswegs gekränkt von ihrer Skepsis. Ohne Zögern folgte er ihr hinaus zu ihrem Auto, hob die Motorhaube an und bat
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