Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Hotel (German Edition)

Das Hotel (German Edition)

Titel: Das Hotel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Calaverno
Vom Netzwerk:
benahm sich wie ein verzogener kleiner Junge, dachte sie, während sie beobachtete, wie er sich reichlich von der Platte bediente, die Hinrichsen ihm höflich hinhielt.
    Absichtlich richtete er seine Fragen und Bemerkungen nur an Veronika, und die musste all ihr Geschick als Gastgeberin aufbieten, um Hinrichsen immer wieder in die Unterhaltung mit einzubeziehen. Dabei kamen sie zwangsläufig auf seine Erfahrungen als Koch zu sprechen.
    «Ach», sagte Lou gönnerhaft, und seine Augen, die zum ersten Mal sein Gegenüber direkt fixierten, funkelten bösartig über dem Weinglas, «wo haben Sie denn alles gearbeitet?»
    Hinrichsen ließ sich nicht aus der Reserve locken. «Hier und da», antwortete er vage und legte sich ruhig vom Rinder-Carpaccio nach.
    «Mittlere oder obere Preisklasse?» Lou ließ nicht locker.
    «Ich denke nicht, dass wir uns begegnet wären», erwiderte der Ältere ausweichend. «Sie kommen aus Mailand, Conte?»
    «Ja, meine Familie hat dort in der Umgebung ihren Stammsitz», gab Lou arrogant zurück.
    Hinrichsen nahm das mit einem knappen Kopfnicken zur Kenntnis und widmete sich erneut seinem Teller.
    «Und woher stammen Sie, Herr Hinrichsen?», fragte Veronika. «Ihr Name klingt so hanseatisch.»
    «Ich bin in Hamburg geboren», sagte er knapp, und es schien, als sei das Thema ihm unangenehm. Taktvoll beeilte Veronika sich, ein anderes Thema anzuschneiden.
     
    Der Abend verlief in ähnlicher Weise weiter, allerdings verabschiedete Hinrichsen sich so früh, dass Lou, sobald die Zimmertür oben hinter ihm zugefallen war, spöttisch bemerkte, dass die Gesellschaft wohl nicht nach seinem Geschmack gewesen wäre.
    «Das wäre ihm nicht zu verübeln», bemerkte Veronika ehrlich verärgert. «Musstest du ihm so offen zeigen, dass du ihn für einen Langweiler hältst?»
    «Aber das ist der doch!» In übertriebener Überraschung riss er die Augen auf. «War ich wirklich unhöflich? Soll ich mich entschuldigen?»
    «Ich fürchte, ich muss mich ebenfalls entschuldigen», mischte Godunow sich ein. Mascha hatte sich in die Küche verzogen, und im Gegensatz zu Hinrichsen fühlte er offensichtlich nicht das Bedürfnis, sich dort als Helfer zu betätigen. Stattdessen gesellte er sich, sein Weinglas in der Hand, zu ihnen und fuhr leicht beschämt fort: «Aber es war so schön, sich auf Russisch zu unterhalten. Und wir haben sogar tatsächlich gemeinsame Bekannte in Petersburg. Ist das nicht geradezu eine Fügung?»
    «Tatsächlich?» Veronika war überrascht. Sie hätte nicht gedacht, dass Mascha und dieser reiche Kunsthändler sich in den gleichen Kreisen bewegt hatten.
    «Ja, ja, Maschenka war sehr beliebt als Dolmetscherin! Wenn man bedenkt, dass wir uns dort nie begegnet sind, und nun laufen wir uns hier zufällig über den Weg. Da könnte man schon an einen Wink des Schicksals glauben.»
    «Ist so etwas nicht eher bloßer Zufall?» Lou schien angetan von dieser Wendung der Unterhaltung.
    «Das mag Ihnen als mediterranem Skeptiker so erscheinen», meinte Godunow gutmütig lächelnd. «Aber wir Russen sind nun mal sehr abergläubisch. Uns fällt es leichter, an das Schicksal zu glauben, als alles für zufällig zu halten.»
    Lou widersprach, auch Italiener hätten durchaus einen Hang zum Aberglauben, aber man müsse doch unterscheiden … Ehe sie es sich versahen, waren die beiden Männer in eine angeregte Debatte über kulturelle Unterschiede verwickelt, die Veronika die Gelegenheit gab, unauffällig in die Küche zu verschwinden.
    Das Erste, das ihr auffiel, war Maschas abwesender Gesichtsausdruck, mit dem sie die gewohnten Handgriffe ausführte. Sie schien nicht einmal mitzubekommen, dass Veronika neben sie trat. «Dieser Godunow ist ja mächtig beeindruckt von dir», sagte Veronika und griff nach einem Geschirrtuch. «Und wenn ich mich nicht sehr irre, du auch von ihm. Stimmt’s?»
    Mascha fuhr zusammen. Im nächsten Augenblick hatte sie sich wieder gefangen und stellte den Topf, den sie gerade gescheuert hatte, auf die Abtropffläche.
    «Ja, er ist einfach wundervoll», gab sie verträumt lächelnd zu. «Ein richtiger Mann, wie die Männer in Petersburg. Aber viel, viel netter. Wahrscheinlich, weil er in Paris aufgewachsen ist und nicht in Russland.»
    Das hörte sich ganz so an, als wäre auch hier der gute Lou abgemeldet, dachte Veronika ironisch. Schweigend trocknete sie die letzten Töpfe ab und räumte sie in den Schrank. Gemeinsam kehrten sie zu den beiden Männern zurück, die immer noch bei

Weitere Kostenlose Bücher