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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Früchten - vielleicht war er gerade in den Heidelbeeren gewesen -, aber es war ein überraschend angenehmer, wenn auch nicht gerade frischer Atem. Als der Bär das Laken zurückschlug und mich von oben bis unten betrachtete, spürte ich nur die Spitze des Eisbergs jener Angst, die Chipper Dove gespürt haben mußte, als er wirklich glaubte, eine läufige Bärin wolle ihn. Aber dieser Bär hatte für das, was er sah, nur ein verächtliches Schnauben. »Earl!« sagte der Bär und gab mir einen ziemlich derben Stoß; er schuf sich Platz neben mir und kroch zu mir ins Bett. Erst als er mich umarmte und als ich die ganz besondere Note in seinem eigenartigen und eindringlichen Geruch identifizieren konnte, kam mir der Verdacht, daß das kein gewöhnlicher Bär war. Neben dem angenehmen fruchtigen Atem und der senfgrünen Schärfe des Sommerschweißes war da der offenkundige Geruch von Mottenkugeln.
    »Susie?« sagte ich.
    »Dachte schon, du kämst nie drauf«, sagte sie.
    »Susie!« rief ich und wandte mich ihr zu und erwiderte ihre Umarmung; nie war ich glücklicher gewesen, sie zu sehen.
    »Nicht so laut«, wies Susie mich an. »Weck deinen Vater nicht auf. Ich bin überall in diesem verfickten Hotel rumgekrochen und hab dich gesucht. Erst hab ich deinen Vater gefunden, und einen gibt es, der sagt ›Was?‹ in seinem Schlaf, und ich bin auf einen absoluten Schwachkopf von einem Hund gestoßen, dem ist nicht einmal aufgefallen, daß ich ein Bär war - der Ficker wedelt einfach mit dem Schwanz und schläft gleich wieder ein. Was für ein Wachhund! Und Frank, der Ficker, hatte mir den Weg beschrieben - ich glaube, man sollte sich von Frank nicht mal den Weg nach Maine beschreiben lassen, geschweige denn zu dieser komischen Ecke dieses erbärmlichen Staates. Heiliger Strohsack«, sagte Susie, »ich wollte dich nur treffen, bevor es hell wird, ich wollte bei dir sein, solange es noch dunkel ist, Herrgott nochmal, und ich muß gestern etwa um die Mittagszeit in New York losgefahren sein, und jetzt fängt's gleich an zu dämmern, verfickt nochmal«, sagte sie. »Und ich bin ganz kaputt«, fügte sie hinzu; sie fing an zu weinen. »Ich schwitze wie ein Schwein in diesem blöden verfickten Kostüm, aber ich rieche so fürchterlich und sehe so schrecklich aus, daß ich mich nicht traue, das Ding auszuziehen.«
    »Zieh's aus«, sagte ich ihr. »Du riechst richtig gut.«
    »Hör bloß auf«, sagte sie und heulte weiter. Aber sie nahm dann doch den Bärenkopf ab und verschmierte mit den Pfoten die Tränen im Gesicht, bis ich ihre Pfoten festhielt und sie eine Weile auf den Mund küßte. Ich glaube, mit den Heidelbeeren lag ich richtig: für mich schmeckt Susie nach wild wachsenden Heidelbeeren.
    »Du schmeckst richtig gut«, sagte ich ihr.
    »Hör bloß auf«, murmelte sie, aber sie ließ zu, daß ich ihr vollends aus dem Bärenkostüm half. Es war wie eine Sauna da drin. Mir wurde bewußt, daß Susie gebaut war wie ein Bär, und sie war so sehr in Schweiß gebadet, daß sie aussah wie ein Bär, der gerade aus einem See steigt. Mir wurde klar, wie sehr ich sie bewunderte - wegen ihrer Bärenartigkeit, wegen ihres komplizierten Mutes.
    »Ich hab dich sehr gern, Susie«, sagte ich und kroch, nachdem ich meine Tür zugemacht hatte, wieder zu ihr ins Bett.
    »Beeil dich, es wird bald hell«, sagte sie, »und dann siehst du, wie häßlich ich bin.«
    »Ich kann dich jetzt schon sehen«, sagte ich, »und ich finde dich schön.«
    »Wenn du mich davon überzeugen willst, wirst du dich sehr anstrengen müssen«, sagte Susie der Bär.
    Seit ein paar Jahren überzeuge ich nun schon Susie den Bären, daß sie schön ist. Ich bin natürlich davon überzeugt, und in ein paar Jahren, denke ich, wird sie mir zustimmen. Bären sind stur, aber sie haben einen gesunden Verstand; hat man erst einmal ihr Vertrauen gewonnen, schrecken sie nicht mehr vor einem zurück.
    Am Anfang war Susie vom Glauben an die eigene Häßlichkeit so besessen, daß sie jede nur denkbare Vorsichtsmaßnahme gegen eine mögliche Schwangerschaft ergriff, denn sie glaubte, es gebe für sie nichts Schlimmeres, als ein armes Kind in diese grausame Welt zu setzen und ihm die Behandlung zuzumuten, mit der die Häßlichen gewöhnlich leben müssen. Als ich anfing, mit Susie dem Bären zu schlafen, nahm sie die Pille und benutzte zudem ein Pessar; sie schmierte so viel samentötendes Gelee auf das Pessar, daß ich gegen das Gefühl ankämpfen mußte, an einem Overkill beteiligt zu

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