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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Kursen nicht berücksichtigen, anstatt es für einen lebenden Schriftsteller auszugeben, dessen Werke Sie wahrscheinlich nicht gelesen haben. Vor allem«, sagte Lilly, »wenn man bedenkt, daß die Frau, deren Werke hier nicht berücksichtigt werden und deren Person gespielt werden soll, von dem Unterschied zwischen wirklicher Größe und dem bloßen Posieren regelrecht besessen war. Und sie wollen diese Frau dafür bezahlen, daß sie ausgerechnet als Virginia Woolf posiert? Sie sollten sich schämen«, sagte ihnen Lilly. »Holen Sie die Frau ruhig her«, fügte Lilly noch hinzu. »Ich werde ihr selber die Tasche mit Steinen füllen; ich werde ihr den Weg zum Fluß zeigen.«
    Und genau das erzählte dann Franny der Gruppe, die von ihr verlangte, daß sie als Lilly posierte und die Universitäten abklapperte. »Sie sollten sich schämen«, sagte Franny. »Außerdem«, fügte sie hinzu, »bin ich viel zu groß, um Lilly zu spielen. Meine Schwester war wirklich klein.«
    Von den Selbstmordfans wurde das Franny als Gefühllosigkeit ausgelegt - und in Verbindung damit wurde unsere Familie in den Zeitungen verschiedentlich so dargestellt, als seien wir gegen Lillys Tod gleichgültig (weil wir nicht bereit waren, uns irgendwie an diesen Lilly-Posen zu beteiligen). In seiner Verärgerung bot Frank an, bei einer öffentlichen Lesung aus den Werken von Dichtern und Schriftstellern, die Selbstmord begangen hatten, Lilly darzustellen. Logischerweise las keiner der Schriftsteller oder Dichter seine eigenen Werke vor; verschiedene Leser wurden verpflichtet, die dem Werk der Verstorbenen - oder, schlimmer noch, ihrem ›Lebensstil‹ fast immer gleichbedeutend mit ihrem ›Todesstil‹ - nahestanden, und sie sollten aus den Werken der Selbstmörder lesen, als seien sie selbst die toten - nun plötzlich wieder auferstandenen - Autoren. Franny wollte auch damit nichts zu tun haben, aber Frank bot sich an; er wurde abgewiesen. »Wegen ›Unaufrichtigkeit‹«, sagte er. »Die argwöhnten, ich sei unaufrichtig. Und hatten verdammt recht damit!« brüllte er. »Den Fickern würde eine Überdosis Unaufrichtigkeit nur guttun!« fügte er hinzu.
    Und Junior Jones war - endlich! - soweit, Franny zu heiraten. »Es ist ein Märchen«, sagte Franny zu mir in einem Ferngespräch, »aber Junior und ich haben uns gesagt, wenn wir es noch länger aufsparen, bleibt uns nichts mehr, was das Sparen wert wäre.« Franny ging mittlerweile auf die Vierzig zu. Dem Schwarzen Arm des Gesetzes und Hollywood waren wenigstens Schlagobers und Blut gemeinsam. Ich nehme an, für die Leute in New York und Los Angeles hatten Franny und Junior das, was man »Glamour« nennt, aber ich denke oft, Leute mit »Glamour« haben einfach eine Menge zu tun. Junior und Franny wurden von ihrer Arbeit aufgefressen, und sie lebten von dem Trost, daß es immer die Arme des anderen gab, in die sie erschöpft sinken konnten.
    Ich war sehr glücklich für sie und bedauerte nur, daß sie beide verkündeten, für Kinder würde ihnen keine Zeit bleiben. »Ich will keine Kinder, wenn ich mich nicht um sie kümmern kann«, sagte Franny.
    »Dito, Mann«, sagte Junior Jones.
    Und eines Abends erzählte mir Susie der Bär, sie wolle auch keine Kinder, denn ihre Kinder könnten nur häßlich sein, und sie wolle keine häßlichen Kinder in die Welt setzen - um nichts in der Welt, sagte sie mir. Es sei einfach das grausamste Leben, dem man ein Kind aussetzen könne: die Diskriminierung, die man zu ertragen habe, wenn man nicht gut aussehe.
    »Aber du bist nicht häßlich, Susie«, sagte ich ihr. »Man muß sich nur ein bißchen an dich gewöhnen«, sagte ich ihr. »Ich finde dich wirklich attraktiv, wenn du's genau wissen willst.« Und das war ehrlich gemeint; in meinen Augen war Susie der Bär ein Held.
    »Dann stimmt's in deinem Kopf nicht ganz«, sagte Susie. »Ich hab ein Gesicht wie eine Zimmermannsaxt, wie ein Meißel mit schlechtem Teint. Und ich habe einen Körper wie eine alte Tüte«, sagte sie. »Wie eine Tüte voll von kaltem Haferbrei«, sagte Susie.
    »Ich finde dich richtig nett«, sagte ich ihr, und ich fand sie nett; Franny hatte mir gezeigt, wie liebenswert Susie der Bär war. Und ich hatte das Lied gehört, das Susie der Bär Franny entlockt hatte; ich hatte etliche interessante Träume gehabt, in denen Susie mir ähnliche Lieder entlockte. Und so sagte ich noch einmal: »Ich finde dich richtig nett.«
    »Dann ist dein Hirn eine alte Tüte voll von kaltem Haferbrei«, sagte

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