Das Hotel New Hampshire
diejenige zu sein, auf die wir warteten, auf die wir hörten. Sie war zur Hauptdarstellerin geboren.
»Und ich bin zum erbärmlichen verfickten Agenten geboren«, sagte Frank düster, nach Lillys Beerdigung. »So weit habe ich es nun als Agent gebracht«, sagte er und meinte Lillys Tod. »Sie war für all die Scheiße, die ich ihr zugemutet habe, einfach nicht groß genug!« sagte er trübsinnig, und dann fing er an zu weinen. Wir versuchten ihn aufzumuntern, aber Frank sagte: »Ich bin immer der verfickte Agent, verdammte Scheiße. Ich bin immer der Auslöser - immer ich. Denkt doch nur an Kummer!« heulte er. »Wer hat ihn denn ausgestopft? Wer hat mit der ganzen Geschichte angefangen?« schrie er und hörte nicht auf zu weinen. »Ich bin doch der Agent, der dauernd Scheiße baut«, schluchzte er.
Aber Vater - mit dem Baseballschläger als seiner Antenne - legte Frank die Hand auf die Schulter und sagte: »Frank, Frank, mein Junge. Du hast mit Lillys Schwierigkeiten nichts zu tun, Frank. Wer ist denn der Träumer in der Familie, Frank?« fragte Vater, und wir sahen ihn alle an. »Nun, das bin ich - ich bin der Träumer, Frank«, sagte Vater. »Und Lilly hat sich nur mehr erträumt, als sie tun konnte, Frank. Sie hat die verdammten Träume geerbt«, sagte Vater. »Von mir.«
»Aber ich war ihr Agent«, sagte Frank einfältig.
»Schon, aber das spielt keine Rolle, Frank«, sagte Franny. »Ich meine, es spielt sehr wohl eine Rolle, daß du mein Agent bist, Frank - ich brauche dich wirklich. Aber niemand konnte Lillys Agent sein, Frank.«
»Es spielte keine Rolle, Frank«, sagte ich zu ihm - weil er das immer zu mir sagte. »Es spielte keine Rolle, wer ihr Agent war, Frank.«
»Aber ich war es nun mal«, sagte er - er war so nervtötend dickköpfig!
»Herrgott, Frank«, sagte Franny. »Es ist leichter, mit deinem Anrufbeantworter zu reden.« Das brachte ihn schließlich zur Vernunft.
Eine Zeitlang mußten wir noch die Klagemauer der trauernden Verehrer ertragen: die Kultgemeinschaft um Lillys Selbstmord - es waren ihre Fans, für die Lillys Selbstmord ihre elementarste Aussage war, der Beweis ihrer Ernsthaftigkeit. In Lillys Fall war das pure Ironie, denn Frank und Franny und ich wußten, Lillys Selbstmord war - aus ihrer eigenen Sicht - der elementarste Ausdruck ihres Gefühls, nicht ernst genug zu sein. Doch diese Leute bestanden darauf, Lilly für das zu lieben, was sie an sich selbst am wenigsten liebte.
Eine Gruppe dieser Selbstmordfans schrieb sogar an Franny und forderte sie auf, die Universitäten des Landes zu besuchen und - als Lilly - aus Lillys Werken zu lesen. Es war Franny die Schauspielerin, an die sie sich wandten: Franny sollte Lilly spielen.
Und wir erinnerten uns an Lillys Gastspiel im Lehrkörper einer Universität und an ihren Bericht von der einzigen Sitzung der Englisch-Abteilung, an der sie je teilnahm. In der Sitzung gab der Ausschuß für Autorenlesungen bekannt, das verbleibende Geld reiche nur noch für zwei Besuche von mäßig bekannten Dichtern oder für einen Besuch eines bekannten Schriftstellers oder Dichters, oder aber man könnte das ganze verbleibende Geld nehmen und die beträchtlichen Forderungen einer Frau erfüllen, die die Universitäten des Landes besuchte und Virginia Woolf darstellte. obwohl Lilly die einzige Person in dieser Englisch-Abteilung war, die sich in ihren Kursen mit Virginia Woolfs Büchern befaßte, mußte sie feststellen, daß sie sich als einzige den Wünschen der Abteilung widersetzte, die Virginia-Woolf-Darstellerin einzuladen. »Ich glaube, Virginia Woolf wäre dafür, das Geld einem lebenden Schriftsteller zukommen zu lassen«, sagte Lilly. »Einem echten Schriftsteller«, fügte sie hinzu. Doch die Abteilung beharrte darauf, sie wollten das ganze Geld für die Frau aufwenden, die Virginia Woolf darstellte.
»okay«, sagte Lilly schließlich. »Ich bin einverstanden, aber nur, wenn die Frau alles macht. Nur wenn sie Virginia Woolf zu Ende spielt.« In der Sitzung der EnglischAbteilung herrschte Schweigen, und dann fragte jemand Lilly, ob ihr wirklich ernst damit sei - ob sie tatsächlich den »geschmacklosen« Vorschlag machen wolle, die Frau solle die Universität besuchen und Selbstmord begehen.
Und meine Schwester Lilly sagte: »Mein Bruder Frank würde es widerlich nennen, daß Sie - als Literaturprofessoren - tatsächlich bereit sind, Geld für eine Schauspielerin auszugeben, die eine tote Schriftstellerin imitiert, deren Werke Sie in Ihren
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