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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Susie zu mir. »Wenn du mich ›richtig nett‹ findest, dann bist du ernstlich krank.«
    Und eines Nachts, als wir keine Gäste im Hotel New Hampshire hatten, hörte ich ein merkwürdiges Kriechgeräusch. Bei Vater waren nächtliche Streifzüge ebenso wahrscheinlich wie Spaziergänge am hellichten Tag - schließlich herrschte für ihn immer finstere Nacht. Aber wo immer Vater auch hinging, die Louisville-Keule schleifte hinter ihm her oder ging ihm suchend voraus, und mit den Jahren glich sein Gang immer mehr dem Gang Freuds, als habe Vater auf psychologischem Wege zum Hinken gefunden - zum Zeichen der Verwandtschaft mit dem alten Traumdeuter. Außerdem machte Vater keinen Schritt, ohne daß Blindenhund Nummer Vier bei ihm war! Mit dem Stutzen der Zehennägel waren wir bei Vier ziemlich nachlässig, so daß es ziemlich geräuschvoll zuging, wenn Vater mit Vier unterwegs war.
    Der alte Fred, das Faktotum, hatte ein Zimmer im dritten Stock und schlief wie ein Stein am Meeresgrund; er schlief so fest wie die aufgegebenen Fischreusen, von Robben zerstört, bald versunken im tiefen Schlamm, bald ausgespült von der Flut. Der alte Fred hielt sich mit seinen Schlafzeiten mehr oder weniger an die Sonne; weil er taub sei, sagte er, bleibe er nachts nicht gerne auf. Besonders im Sommer vibrieren die Nächte in Maine mit allerlei Geräuschen - zumindest, wenn man die Nächte mit den Tagen in Maine vergleicht.
    »In New York ist es genau umgekehrt«, sagte Frank gern. »Wenn es an der Central Park South einmal ruhig wird, dann gegen drei Uhr morgens. Aber in Maine«, sagte Frank gern, »ist morgens um drei die einzige Stunde, in der überhaupt etwas los ist - wenn die verfickte Natur aufwacht.«
    Es war, wie ich feststellte, etwa drei Uhr früh in dieser Sommernacht, und die ganze Insektenwelt schien auszuschwärmen; die Meeresvögel verhielten sich einigermaßen ruhig, doch das Meer war deshalb nicht weniger beharrlich. Und ich hörte dieses eigenartige Kriechgeräusch. Zuerst war schwer auszumachen, ob es von draußen kam - mein Fenster stand offen, war aber mit einem Fliegengitter versehen -, oder ob sich im Gang vor meiner Tür etwas regte. Auch meine Tür war offen; und die Außeneingänge am Hotel New Hampshire waren nie verschlossen - es gab zu viele davon.
    Ein Waschbär, dachte ich.
    Doch dann schlurfte etwas, das viel schwerer war als ein Waschbär, über den blanken Fußboden am untersten Treppenabsatz und tappte dann auf dem weichen Teppichboden den Gang entlang auf meine Tür zu; ich spürte förmlich das Gewicht des Näherkommenden, was immer es auch war - denn unter ihm ächzten die Dielen. Selbst das Meer schien sich zu beruhigen, selbst das Meer schien diesem Geräusch zu lauschen - es war eines jener nachts zu hörenden Geräusche, die den Gezeitenstrom anhalten, die die Vögel (obwohl sie nachts nie fliegen) hoch aufsteigen und dort verharren lassen, als seien sie an den Himmel gemalt.
    »Vier?« flüsterte ich; vielleicht war es der Hund, der da herumstrich. Aber was immer da den Gang entlangkam, bewegte sich zu zögernd, als daß es Blindenhund Nummer Vier sein konnte. Vier war schon öfter durch diesen Gang getappt; der alte Vier würde nicht an jeder Tür stehenbleiben.
    Ich wünschte mir, ich hätte Vaters Baseballschläger, aber als der Bär zur Tür hereinwankte, war mir klar, daß es im Hotel New Hampshire keine Waffe gab, die gegen diesen Eindringling wirksam genug war. Ich lag sehr still da und tat so, als schlafe ich fest - mit offenen Augen. In dem diffusen, schattenhaften, flanellweichen Licht kurz vor dem Morgengrauen kam mir der Bär riesig vor. Er starrte in mein Zimmer, auf mein bewegungsloses Bett, wie eine alte Krankenschwester bei der Bettenkontrolle in einer Klinik; ich versuchte, die Luft anzuhalten, aber der Bär wußte, daß ich da war. Er schnupperte eingehend und kam dann sehr graziös auf allen vieren in mein Zimmer. Na ja, warum auch nicht? dachte ich. Ein Bär eröffnete das Märchen meines Lebens; es ist nur passend, daß ein Bär es beendet. Der Bär schob mir seine warme Schnauze ins Gesicht und beschnüffelte alles an mir; mit seinem zielbewußten Schnüffeln schien er die Geschichte meines Lebens vorbeiziehen zu lassen - und mit einer Geste, die nach Mitleid aussah, legte er mir seine schwere Pfote auf die Hüfte. Es war eine ziemlich warme Sommernacht - für Maine -, und ich war nackt und nur mit einem Laken zugedeckt. Der Atem des Bären war heiß und roch ein wenig nach

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