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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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nahmen wieder Besitz von ihr. Sie konnte die Felswand spüren, als sie in den Abgrund rutschte, sah genau den Fleck, auf dem sie zu Boden geschmettert war. Der Berg rollte und bewegte sich vor ihren Augen, und ihr war, als ob er auf sie fallen und sie für immer unter sich begraben würde.
    » Da ist die Station«, sagte Mal und zeigte auf eine winzige Hütte, die direkt auf einen Vorsprung gebaut worden war. » He! Wir sind hier unten!«
    Er fuchtelte mit den Armen und versuchte, auf sich aufmerksam zu machen.
    Es kam keine Antwort.
    Mal ging zum Fels. Er setzte einen Fuß an die Wand und suchte mit der Hand nach Halt. Er kletterte zwanzig Zentimeter, ehe er wieder zu Boden glitt.
    Es war unmöglich, mit Lackschuhen den Berg zu bezwingen. Die Tatsache, dass er nur noch eine Hand besaß, verbesserte seine Chancen nicht.
    Mal ging zu Deb. Er schnitt eine Grimasse, und sie wusste, was er dachte.
    » Ich weiß«, gab Deb zu bedenken. » Ich kann das trotzdem nicht.«
    » Du bist die Superfrau, hast du das schon vergessen? Du hast sogar deine Kletterprothesen dabei.«
    Mal klopfte auf die Tasche. Deb legte den Kopf in die Hände.
    » Das verstehst du nicht, Mal.«
    » Deb, du kannst ruhig Angst haben. Das ist okay. Aber das schaffst du. Ich habe selber gesehen, was du alles machen kannst.«
    » Mal …«
    » Der Unfall, das war ungeheures Pech, ein wirklich tragischer Zufall. Doch dieses Mal schaffst du es. Du kannst …«
    » Das war kein Unfall!«, fuhr Deb dazwischen. Ihr Tonfall klang härter, als sie beabsichtigt hatte. » Es war mein eigener Fehler!«
    Mal wartete. Deb holte tief Luft und stöhnte.
    Es wird Zeit, mit der Wahrheit rauszurücken.
    » Ich war übermütig«, begann Deb. » Ich wusste, dass ich gut klettern und diesen Berg mit geschlossenen Augen und einer Hand hinter dem Rücken bezwingen konnte. Also wollte ich es etwas aufregender machen. Erinnerst du dich, dass ich dir gesagt habe, dass ich gerade den ersten Haken einschlagen wollte, als ich abzurutschen begann?«
    Mal nickte.
    » Schau mal da oben«, sagte sie und deutete auf die Felswand. » Siehst du den Vorsprung? Da ist es passiert. Ich hätte bereits zwei oder drei Klemmkeile oder Haken benutzen sollen, ehe ich da überhaupt ankam. Doch ich war übermütig.«
    » Hast du nicht gesagt, dass der Fels nachgab, als du den ersten setzen wolltest?«
    » Bist du schwer von Begriff, Mal? Ich habe nichts benutzt. Kein Seil, kein Geschirr, keinen Helm. Ich wollte frei klettern, ohne Partner, und ohne jemandem zu sagen, wo ich war. Ich bin allein hier aufgetaucht, ohne jegliche Ausrüstung. Es war meine Schuld, kein Unfall. Der Fels hat nicht nachgegeben, ich bin lediglich ausgerutscht. Ich war eine verdammte Vollidiotin.«
    Sie wartete auf Mals Reaktion, sein Urteil, seine Missbilligung.
    Er wird jetzt so wenig von mir halten wie ich selbst.
    Aber Mals Miene veränderte sich nicht. Er sagte kein Wort. Stattdessen kniete er sich hin und öffnete die Tasche.
    Deb schüttelte den Kopf. » Das schaffe ich nicht, Mal.«
    Er holte ihre Kletterprothesen hervor. Sie hatte sie noch nie benutzt, außer um auf Eleanors Sippe einzudreschen.
    » Mal, ich bin mit zwei guten Beinen abgestürzt. Als Krüppel habe ich nicht die geringste Chance.«
    » Du bist der stärkste Mensch, dem ich je begegnet bin, Deb.«
    » Ich bin eine Idiotin, die ihr eigenes Leben weggeschmissen hat.«
    » Du bist eine sehr bemerkenswerte Frau. Und du wirst den Berg hinauf zum Radio klettern und uns alle retten.«
    Er reichte ihr eine Prothese, doch sie warf sie ihm vor die Füße.
    » Siehst du nicht, dass ich das nicht kann?«
    » Ich bin Journalist«, erklärte Mal. » Du bist eine Athletin. Wenn ich es lernen kann, mit einer Hand zu tippen, schaffst du es, ohne Beine da hochzuklettern.«
    » Und was, wenn ich wieder herunterfalle?«
    » Dann fange ich dich auf«, antwortete Mal und blinzelte ihr zu. » Schließlich bist du dieses Mal nicht allein.«
    Deb wusste nicht, ob sie heulen, schreien oder Mal küssen sollte. Schließlich sagte sie: » Gib mir die verdammten Prothesen.«
    Als sie die Cheetahs abnahm, waren sie voller Schweiß. Ihre Haut war verschrumpelt, voller Blasen und blutete. Komischerweise machte es ihr überhaupt nichts aus, dass Mal sie so sah. Nachdem sie ihm ihre Seele offenbart hatte, machte ihr gar nichts mehr etwas aus.
    Außerdem beachtete er ihre Beine gar nicht, sondern starrte wieder auf ihren Busen.
    » Wenn ich das schaffe, lädst du mich zum Abendessen ein«,

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