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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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sich, dass sie es schon einmal gemacht hatten, mit Larry, Sues Ehemann. Danach hatte er wochenlang vor Schmerzen geschrien.
    » Ich habe eine Zahl zwischen eins und zehn in meinem Kopf«, sagte Eleanor. Ihre Glubschaugen funkelten belustigt. » Rate mal, welche.«
    Maria antwortete nicht. Sie weigerte sich, auf Eleanors krankes Spiel einzugehen.
    » Zehn«, klärte Eleanor sie auf. » So oft werden wir dich fallen lassen. Du bist ein dünnes Hemd, es sollte also nicht tödlich enden. Aber ich fresse meinen Hut, wenn du dir genau das nach dem zweiten Mal nicht sehnlichst herbeiwünschst.«
    Maria räusperte sich, zog den Schleim hoch und rotzte mitten in Eleanors Auge.
    Eleanor wischte die Spucke fort. » Dann elf«, zischte sie. » Harry, leg ihr die Ketten an.«
    Er steckte die Zunge durch sein Nasenloch und nickte. Maria ballte eine Faust, traf Eleanors Nase und ergriff den Lauf der Flinte. Doch ehe sie Eleanor die Waffe entreißen konnte, stand Harry hinter ihr und legte die Arme so fest um sie, dass sie kaum noch zu atmen vermochte.
    Eleanor fasste sich an die Nase und sah Blut an ihren Fingern. Rasch holte sie ein Päckchen Blutstiller aus der Tasche und schnupfte das Pulver wie Kokain. Als die Blutung gestoppt war, beugte sie sich bedrohlich über Maria.
    » Dafür werden wir dich zum Finale an den Fersen hinunterwerfen.«
    Mit diesen Worten griff Eleanor nach den Ketten.
    Kelly wachte auf und sah, wie die ersten Sonnenstrahlen durch die Baumkronen lugten. Ihr war kalt, sie war nass, sie befand sich mitten in der Wildnis, und ihre Ferse und Finger taten ungeheuer weh, aber sie war guter Dinge.
    Ich lebe.
    Dieser kurze Augenblick der Euphorie fand ein jähes Ende, als sie merkte, dass Cam verschwunden war. Kelly sah sich um, sah ihn jedoch nirgends.
    » Cam!«, brüllte sie.
    Sie stand auf, streckte sich und drehte sich dann langsam um die eigene Achse.
    Vielleicht ist er zum Wasser gegangen. Kelly konnte sich nicht daran erinnern, jemals solchen Durst gehabt zu haben.
    Oder vielleicht …
    Vielleicht haben sie ihn geschnappt.
    Bei dem Gedanken bekam sie eine Gänsehaut. Sie wollte keinesfalls völlig allein hier draußen sein.
    » Cam! Cam! Wo steckst du?«
    » Hi, Kelly.«
    Erschreckt wandte sie sich um. Es war Cam. Er trug einen merkwürdigen Gesichtsausdruck und kam Kelly fremd vor, wie ein anderer Mensch.
    » Ich hatte Angst«, sagte sie und ging auf ihn zu.
    » Ich auch.«
    Er ließ die Schultern hängen und begann zu weinen. Kelly trat auf ihn zu und umarmte ihn. Sie spürte, wie jeder Schluchzer seinen Körper durchschüttelte.
    » Wir schaffen das schon«, beruhigte sie ihn und klopfte ihm auf den Rücken. » Wir finden meine Familie und deine Schwester und dann gehen wir zur Straße. Alles wird gut.«
    Cam legte die Arme um Kelly. » Ich höre immer nur diese Schreie.«
    Kelly wusste nicht, wovon er sprach. In letzter Zeit war so viel geschrien worden.
    » Das ist jetzt alles vorbei.«
    Cam stieß sie von sich. » Nein, ist es nicht! Ich höre es immer noch!«
    Kelly war erstaunt, mit welcher Wucht er sie weggestoßen hatte. Beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren.
    » Immer mit der Ruhe, Cam. Hör doch, niemand schreit.«
    Er vergrub das Gesicht in den Händen. » Doch, doch.«
    Kelly lauschte.
    Sie hörte den Wald, aber keine Schreie.
    » Cam. Da schreit niemand.«
    Cam hockte sich hin, legte die Arme um seine Knie und schaukelte dann vor und zurück.
    » Ich kann es hören«, sagte er. » Ich weiß, dass es nicht echt ist, doch ich höre es trotzdem. Ich will, dass es aufhört.«
    » Wovon redest du?«
    Cams Blick schweifte in die Ferne.
    » Wir waren vierzehn Jahre alt«, fing er zu erzählen an. » Mein Freund und ich, als wir in das verlassene Haus einbrachen. Im Obduktionsbericht hieß es, dass mehr als hundertdreißigmal auf ihn eingestochen wurde. Allerdings war keine der Wunden tödlich. Mein bester Freund ist verblutet. Ich … ich kann seine Schreie manchmal noch immer hören. Nicht nur in meinen Träumen, sondern auch, wenn ich wach bin. Wie jetzt. Manchmal höre ich ihn. Schreien. Er fleht darum, endlich zu sterben.«
    Er dreht durch. Der arme Typ dreht durch.
    Sie ging zu ihm und legte sanft eine Hand auf seine Schulter. » Das war nicht deine Schuld. Du warst im Schrank eingeschlossen.«
    Er wurde kreidebleich, und das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. » Weißt du, wie das ist, wenn man die ganze Zeit Schreie hört, Kelly?«
    » Mach dir keine Vorwürfe«, sagte sie

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