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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Erinnerung wollte sich nicht einstellen.
    Der Mann kam zwei oder drei Mal die Woche und kaufte immer dasselbe Konfekt, Jikola, viereckige, mit Mandelcreme gefüllte Pralinés, die an orientalische Süßigkeiten erinnerten. Er sprach mit leichtem Akzent, sie tippte auf eine arabische Herkunft, war vierzig Jahre alt und trug immer die gleiche Jeans und eine bis zum Kragen zugeknöpfte, abgenutzte Wildlederjacke. Der ewige Student. Anna und Clothilde nannten ihn »Monsieur Wildleder«.
    Jeden Tag warteten sie auf seinen Besuch, er verbreitete Spannung im Ladeninneren und hatte etwas Rätselhaftes an sich, das Abwechslung brachte in die öde dahinfließenden Stunden des Geschäftstages. Oft stellten sie alle möglichen Vermutungen an, denen zufolge er ein Jugendfreund von Anna oder ein früherer Flirt gewesen sein könnte - oder ein heimlicher Verführer, mit dem sie in einer Cocktailbar flüchtige Blicke getauscht hatte.
    Und doch wusste Anna, dass die Wahrheit viel einfacher war, dass diese Erinnerung nichts anderes sein konnte als eine der zahlreichen Halluzinationen, die ihre Hirnschädigung auslöste. Es hatte keinen Sinn, sich mit dem, was sie sah, oder mit dem, was sie empfand, wenn sie Gesichter betrachtete, zu beschäftigen. Sie verfügte über kein festes Bezugssystem mehr.
    Anna erschrak, als die Tür zum Vorratsraum aufsprang, und stellte fest, dass die Schokolade in ihren Händen zu schmelzen begann. Clothilde erschien im Türrahmen und flüsterte durch ihre Haarsträhnen: »Er ist da.«
    Monsieur Wildleder stand bereits nahe bei den Jikola.
    »Guten Tag«, sagte Anna eilig. »Was wünschen Sie?«
    »Zweihundert Gramm wie immer.«
    Sie schob sich hinter die Theke, nahm eine Zange und eine Zellophantüte und begann, die Schokoladenstücke hineinzufüllen. Gleichzeitig warf sie durch die halb geschlossenen Lider einen Blick auf den Mann. Zuerst sah sie seine Schuhe aus grobem Leder, dann die zu langen Jeans, die Falten schlugen wie ein Akkordeon, und schließlich die safrangelbe Lederjacke, die so abgenutzt war, dass sich große orangefarbene Flecken auf ihr abzeichneten.
    Schließlich traute sie sich, sein Gesicht eingehender zu betrachten: struppiges, kastanienbraunes Haar und ein abstoßendes, viereckiges Gesicht, das eher an die kantigen Konturen eines Bauern erinnerte als an die feinen Züge eines Studenten. Zudem waren die Augenbrauen verkniffen in einem Ausdruck von Verärgerung oder unterdrückter Wut.
    Und doch erkannte Anna, sobald sich seine Lider öffneten, lange, mädchenhafte Wimpern über violettblauen, schwarzgolden umrandeten Augen; ferner den Rücken einer Hummel, die über ein dunkles Veilchenfeld fliegt. Wo hatte sie diesen Blick bloß schon gesehen?
    Sie legte die Tüte auf die Waage.
    »Elf Euro, bitte.«
    Der Mann zahlte, nahm die Schokolade und wandte sich zur Tür. Eine Sekunde später war er verschwunden.
    Unwillkürlich folgten Anna und Clothilde dem Fremden bis zur Türschwelle und sahen, wie die Gestalt die Rue du Faubourg-Saint-Honoré überquerte und in einer schwarzen Limousine mit grau getönten Scheiben und ausländischem Nummernschild verschwand.
    Sie verharrten auf dem Bürgersteig wie zwei Heuschrecken im Sonnenlicht.
    »Na, wer ist es?«, fragte Clothilde. »Weißt du es immer noch nicht?«
    Das Auto verschwand im Stadtverkehr. Statt einer Antwort sagte Anna leise: »Hast du'ne Zigarette?«
    Clothilde zog ein zerknittertes Päckchen Marlboro Lights aus ihrer Hosentasche. Mit dem ersten Zug stellte sich jene Entspannung ein, die Anna am Morgen der Untersuchung im Klinikinnenhof überkommen hatte. Skeptisch sagte Clothilde: »Irgendetwas stimmt nicht an deiner Geschichte.«
    Anna wandte sich um, der Ellbogen schwebte in der Luft, die Zigarette zielte auf Clothilde. »Was sagst du da?«
    »Angenommen, du hast den Kerl gekannt und er hat sich verändert. Kann ja sein.«
    »Na und?«
    Clothilde schürzte die Lippen und formte einen dumpfen ploppenden Laut, als würde der Kronkorken einer Bierflasche aufgehebelt. »Warum erkennt er dich dann nicht?«
    Anna sann den Karosserien der Autos hinterher, die unter dem trüben Himmel vorankrochen, zebragleich gemustert von Lichtstreifen, hinter denen sich die Holzrahmenschaufenster von Mariage Frères abzeichneten. Ihr Blick schweifte vorbei an den kalten Scheiben des Restaurants La Maré und hinüber zum freundlichen Haus-Chauffeur, der die Wagen der Gäste parkte und sie unablässig beobachtete.
    Ihre Worte gingen im bläulichen Rauch

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