Das Imperium der Woelfe
und von seinem idiotischen Programm. Und schließlich berichtete er von der neuen Identität der Frau: Anna Heymes.
Als er zu Ende geredet hatte, glaubte Schiffer zu hören, wie das Gehirn des jungen Polizisten auf Hochtouren lief. Er stellte ihn sich vor, wie er völlig fertig irgendwo verloren im 10. Arrondissement in seiner Telefonzelle stand wie er selbst. Zwei Korallentaucher, die in Einzelkäfigen auf dem Meeresboden umhergetrieben werden...
Schließlich fragte Paul in skeptischem Ton: »Wer hat Ihnen das alles erzählt?«
»Charlier höchstpersönlich.«
»Hat er gestanden?«
»Wir sind alte Kumpel.«
»Schwachsinn.«
Schiffer brach in Lachen aus: »Ich sehe, du begreifst allmählich, in was für eine Welt du geraten bist. 1995, nach dem Attentat in der RER-Station Saint-Michel, ging die Anti-Terror-Abteilung, damals hieß sie noch Sechste Division, auf dem Zahnfleisch. Ein neues Gesetz erlaubte Verhaftungen ohne genaues Motiv. Es herrschte das totale Chaos, und ich hab das alles miterlebt. Es gab Razzien in alle Richtungen, bei den islamistischen Gruppen, vor allem im 10. Arrondissement. In einer Nacht tauchte Charlier in Louis-Blanc auf. Er war überzeugt, einen Verdächtigen in der Hand zu haben, einen Mann, der Abdel Saraoui hieß. Er hat sich auf ihn gestürzt, mit bloßen Händen, und ich war im Büro nebenan. Der Kerl starb am nächsten Tag an einem Leberriss in Saint-Louis. Heute Abend habe ich diese schönen Erinnerungen ein bisschen aufgefrischt.«
»Ihr seid eine korrupte Bande.«
»Was macht das schon, solange man Erfolg hat?«
»Ich habe mir den Kampf gegen das Verbrechen etwas anders vorgestellt. Das ist alles.«
Schiffer öffnete erneut die Tür der Telefonzelle und nahm einen tiefen Zug frischer Luft.
»Wo ist Sema jetzt?«, fragte Paul.
»Das ist der springende Punkt, mein Junge. Sie hat die Koffer gepackt. Ist denen gestern Vormittag abgehauen. Offenbar hat sie geahnt, was sie mit ihr vorhatten. Sie ist außerdem dabei, ihr Gedächtnis wieder zu finden.«
»Scheiße...«
»Das kann man wohl sagen. Im Moment läuft eine Frau mit zwei Identitäten durch Paris, zwei Gruppen von Schweinehunden auf ihrer Spur, und wir mittendrin. Meiner Meinung nach stellt sie gerade Nachforschungen über sich selbst an, versucht herauszufinden, wer sie wirklich ist.«
Eine weitere Pause am anderen Ende der Leitung.
»Was machen wir jetzt?«
»Ich habe ein Abkommen mit Charlier getroffen. Ich habe ihm klar gemacht, dass ich der beste Mann bin, um diese Frau zu finden. Er hat mich für heute Nacht mit der Sache betraut. Er steht auf dem Schlauch. Seine Operation ist illegal. Die Sache stinkt zum Himmel. Ich habe die Akten von der neuen Sema und zwei wichtige Hinweise. Der erste ist für dich, wenn du immer noch dabei bist.«
Er hörte das Geräusch von Stoff und Papier. Nerteaux zog seinen Notizblock hervor.
»Fangen Sie an.«
»Plastische Chirurgie. Sema hat sich einen der teuersten Spezialisten von Paris geleistet. Wir müssen ihn finden, denn der Mann hatte Kontakt zu der echten Frau, bevor sie ihr Gesicht verändert hat, vor ihrer Gehirnwäsche. Er ist vermutlich der einzige Mann in Paris, der uns etwas Vernünftiges über die Frau sagen kann, die von den Wölfen verfolgt wird. Übernimmst du das?«
Nerteaux antwortete nicht gleich, offenbar machte er sich gerade Notizen.
»Da wird es Hunderte geben.«
»Keineswegs. Du musst nur die Besten befragen, die Virtuosen. Die, die keine Skrupel haben. Ein Gesicht völlig zu verändern ist nie ganz ohne. Du hast die ganze Nacht Zeit, um die Kerle zu finden. Bei dem Tempo, in dem das alles hier läuft, werden wir bald nicht mehr allein sein.«
»Die Leute von Charlier?«
»Nein. Charlier weiß nicht mal, dass Sema ihr Gesicht verändert hat. Ich spreche von den Grauen Wölfen. Sie haben sich drei Mal vertan. Die kriegen garantiert raus, dass sie nach der falschen Visage gesucht haben. Sie werden auch an plastische Chirurgie denken und den Arzt ausfindig machen. Ich habe im Gefühl, dass wir uns auf demselben Pfad begegnen werden. Auf jeden Fall lasse ich die Akte mit dem Mädchen und dem Foto ihres Gesichts in der Rue de Nancy. Geh und hol sie dir dort ab und fang mit der Arbeit an.«
»Und soll ich ihr Bild den Leuten von der Streife geben?«
Schiffer kam der kalte Schweiß.
»Auf keinen Fall! Zeig es nur den Ärzten zusammen mit dem Phantombild. Kapiert?«
Wieder Schwiegen in der Leitung.
Mehr denn je waren sie wie zwei Taucher, verloren
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