Das Imperium der Woelfe
richtig gehört: »Du willst mir doch nicht weismachen, dass ihr eine Gehirnwäsche vorgenommen habt?«
»Zum Programm gehört eine solche Behandlung, doch.«
Schiffer schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch: »Verdammter Idiot! Es war das Gedächtnis, das am allerwenigsten ausgelöscht werden durfte! Sie hatte mir einiges zu sagen!«
Charlier runzelte die Stirn: »Ich verstehe deine Geschichte nicht. Was hat dieses Mädchen schon Wichtiges zu erzählen? Sie hat gesehen, wie ein paar Türken eine Frau entführt haben. Na und?«
»Sie besitzt Informationen über die Mörder«, sagte Schiffer - er schritt das Büro ab wie ein wildes Tier im Käfig. »Ich glaube, sie kennt die Identität der Beute.«
»Welcher Beute?«
»Die Frau, die die Wölfe suchen. Und die sie immer noch nicht gefunden haben. «
»Ist das so wichtig?«
»Drei Morde, Charlier, das ist ein bisschen viel, oder? Sie töten so lange, bis sie sie erwischt haben.«
»Und du willst sie herbeischaffen?«
Schiffer lächelte, antwortete aber nicht.
Charlier machte eine Bewegung mit den Schultern, dass seine Hemdnähte krachten. Schließlich sagte er: »Ich kann sowieso nichts für dich tun.«
»Warum?«
»Sie ist uns entkommen.«
»Spinnst du?«
»Sehe ich so aus?«
Schiffer wusste nicht, ob er lachen oder losschreien sollte. Er setzte sich wieder und ergriff den Brieföffner, den Charlier gerade losgelassen hatte: »Immer noch alles gleich bescheuert bei der Polizei. Erklär mir das.«
»Unser Experiment zielte darauf ab, ihre Persönlichkeit von Grund auf zu verändern. Sie sollte etwas werden, was sie noch nicht kannte. Es ist uns gelungen, aus ihr eine französische bürgerliche Gattin zu machen, die Frau eines Elitehochschul-Absolventen. Eine einfache Türkin, stell dir das vor! Solchen Konditionierungen sind heutzutage keine Grenzen mehr gesetzt. Wir wollten... «
»Dein Experiment interessiert mich einen Dreck«, sagte Schiffer scharf. »Sag mir lieber, wie sie abgehauen ist.«
Der Kommissar machte ein mürrisches Gesicht.
»In den letzten Wochen hatte sie Störungen«, sagte er. »Erinnerungslücken, Wahnvorstellungen. Ihre neue Persönlichkeit, die wir ihr eingeflösst hatten, ging zu Bruch. Wir wollten sie ins Krankenhaus bringen, doch in dem Moment ist sie verschwunden.«
»Wann war das?«
»Gestern. Dienstagmorgen.«
Unglaublich. Die Beute der Grauen Wölfe war wieder in Freiheit. Weder Türkin noch Französin - und voller Gedächtnislücken. Und doch sah er Licht am Ende des Tunnels: »Das heißt, ihr ursprüngliches Gedächtnis kehrt zurück?«
»Weiß man nicht. Sie misstraute uns jedenfalls.«
»Wie weit sind deine Jungs mit der Sache?«
»Nirgendwo. Wir sind dabei, ganz Paris zu durchforsten. Keine Möglichkeit, sie zu erwischen.«
Jetzt war der Moment gekommen, den Trumpf auszuspielen. Schiffer nahm den Brieföffner und stieß ihn in die Holzplatte: »Wenn sie ihr Gedächtnis wieder hat, wird sie wie eine Türkin handeln. Das ist mein Spezialgebiet. Ich kann sie besser finden als jeder andere.«
Der Gesichtsausdruck des Kommissars veränderte sich. Schiffer legte nach: »Sie ist Türkin, Charlier. Ein ganz besonderes Wild. Du brauchst einen Bullen, der diese Welt kennt und diskret vorgeht.«
Er konnte sich vorstellen, was nun im Kopf des Kolosses vorging. Er trat einen Schritt zurück, wie um genauer zielen zu können: »Ich schlage dir folgenden Handel vor: Du gibst mir vierundzwanzig Stunden freie Hand. Wenn ich sie erwische, liefere ich sie dir aus. Aber vorher verhöre ich sie.«
Wieder herrschte Schweigen. Schließlich öffnete Charlier eine Schublade und zog einen Packen Dokumente heraus: »Ihre Akte. Sie heißt jetzt Anna Heymes und ... «
Mit einem schnellen Griff riss Schiffer den Ordner an sich. Er blätterte die maschinegeschriebenen Seiten durch, die medizinischen Berichte, und sah das neue Gesicht der Beute. Es war das Gesicht, das Hirsch beschrieben hatte. Keine Ähnlichkeit mit der Rothaarigen, die die Mörder suchten. Von dieser Seite hatte Sema Gokalp nichts mehr zu befürchten.
Der Anti-Terror-Kämpfer fuhr fort: »Der behandelnde Neurologe heißt Eric Ackermann und... «
»Mir sind ihre neue Persönlichkeit und die Typen, die das mit ihr gemacht haben, egal. Sie wird ihre Herkunft wieder entdecken. Das ist das Entscheidende. Was weißt du über Sema Gokalp? Über die Türkin, die sie war?«
Charlier bewegte sich heftig in seinem Sessel. Die Venen seiner Kehle, oberhalb seines Hemdkragens,
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