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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Nerteaux die Hauptsache nicht erzählt.
    Er stieg in den Wagen und gab die Adresse Quai des Orfèvres an.
    Er wusste jetzt, wer die Beute war und warum die Grauen Wölfe sie suchten.
    Aus dem einfachen Grund, weil er selbst seit zehn Monaten hinter ihr her war.

Kapitel 48
     
    Eine rechteckige Kiste aus schwarzem Holz, siebzig Zentimeter lang, dreißig Zentimeter tief, versehen mit dem roten Siegel der Republik. Schiffer blies den Staub vom Deckel und sagte sich, dass die einzigen Beweise der Existenz von Sema Gokalp in diesem Babysarg lagen.
    Er zog sein Schweizer Armeemesser heraus, schob die feinste Klinge unter das Siegel, entfernte die rote Kruste und hob den Deckel an. Schimmelgeruch drang ihm in die Nase. Sobald er die Kleider sah, spürte er in den Eingeweiden, dass in dieser Kiste etwas für ihn verborgen war.
    Mechanisch warf er einen Blick über seine Schulter. Er befand sich im Untergeschoss des Justizpalasts, in dem kleinen Raum mit dem schmutzigen Vorhang, in dem freigelassene Untersuchungshäftlinge diskret ihre verwahrte Habe durchsahen.
    Der ideale Ort, um eine Leiche zu exhumieren.
    Zuerst fand er eine weiße Bluse und eine Haube aus gefaltetem Papier - die Uniform der Arbeiterinnen von Gurdilek. Dann zivile Kleidung, einen hellgrünen Rock, eine rosarote Häkeljacke, eine schieferblaue Bluse mit rundem Kragen. Alles aus einfachem Stoff, der aus dem Billigladen Tati stammte.
    Die Kleider kamen aus dem Westen, doch ihre Farben weckten die Erinnerung an das Aussehen türkischer Bäuerinnen, die noch immer violette Pumphosen tragen und pistaziengrüne oder zitronengelbe Blusen. In ihm stieg ein düsteres Verlangen auf, ihn erregte die Vorstellung von Nacktheit, Demütigung und aufgezwungener Armut. Der bleiche Körper, den er sich in diesen Stoffen vorstellte, legte ihm die Nerven bloß.
    Nun sah er sich die Unterwäsche an. Ein hautfarbener BH von kleiner Größe; eine schwarze, abgenutzte, fusselige Unterhose, durchgescheuert und fadenscheinig. Die Größe der Dessous ließen an eine Jugendliche denken, dabei hatten die drei Leichen breite Hüften und schwere Brüste. Die Frau hatte nicht nur ihr Gesicht verändert. Sie war bis auf die Knochen abgemagert - eine vollkommen veränderte Figur.
    Er setzte die Suche fort. Verschlissene Schuhe, glänzende Strumpfhosen, ein räudiger Schafsfellmantel. Die Taschen waren geleert worden. Er suchte am Grund der Schachtel in der Hoffnung, auf den Inhalt der Taschen zu stoßen. Ein Plastikbeutel erfüllte seine Hoffnung: Schlüsselbund, Fahrscheine, Schminksachen aus Istanbul...
    Er sah sich den Schlüsselbund näher an. Schlüssel waren seine Leidenschaft. Er kannte alle Arten: Bart- und Doppelbartschlüssel, Flach-, Rund-, Kreuzschlüssel. Er kannte auch bei Schlössern jeden Trick. Mechanismen, die ihn an die Räderwerke der Menschen erinnerten, die er gerne verletzte, drehte, kontrollierte.
    Er blickte auf die beiden an dem Ring hängenden Schlüssel. Mit dem einen konnte man ein normales Schloss öffnen, vermutlich das in einem Wohnheim, einem Hotelzimmer oder einer heruntergekommenen Wohnung, in der nun längst andere Türken lebten. Der zweite Schlüssel war flach und sicher für den oberen Riegel derselben Tür bestimmt.
    Völlig uninteressant.
    Schiffer verschluckte einen Fluch: Die Beute hatte nichts erbracht. All diese Sachen und Kleider mussten einer anonymen Arbeiterin gehören. Viel zu anonym. Das alles sah nach Verkleidung und Parodie aus.
    Er war sicher, dass Sema Gokalp ein Versteck besaß. Wenn man in der Lage war, sein Gesicht zu verändern, zwanzig Kilo abzunehmen, freiwillig in die Rolle einer unter der Erde arbeitenden Sklavin zu schlüpfen, dann musste man für alle Fälle vorgesorgt haben.
    Schiffer dachte an die Worte Beauvaniers. Wir haben ihren Pass gefunden, in den Rock eingenäht. Er befühlte alle Kleidungsstücke. Sorgfältig betastete er das Mantelfutter; am inneren Saum verharrten seine Finger bei einer Wölbung. Ein harter Buckel, länglich, mit Zacken.
    Er riss den Stoff auf und schüttelte am Pelz.
    Ein Schlüssel fiel ihm in die Hand, ein Schlüssel mit durchbohrtem Schaft und mit einer Nummer versehen: 4C 32.
    Er dachte sich: Hundert zu eins, dass das ein Schließfach ist.

Kapitel 49
     
    »Nein, das ist kein Schließfach. Sie benutzen heute Schlösser mit Geheimnummer.« Cyril Brouillard war ein Schlosser mit großem Erfindungsreichtum. Jean-Louis Schiffer hatte einst am Ort eines Einbruchs in einen berühmten angeblich

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