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Das Imperium der Woelfe

Das Imperium der Woelfe

Titel: Das Imperium der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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geheimen Zusammenhang des Geschehens preis. Am Vorabend noch hatte er sich den Tod seines Vaters gewünscht. Er hatte sich bewaffnet und sein kriminelles Vorhaben der Mutter gebeichtet. Dieses Geständnis war zu einem Fluch geworden: Eine geheimnisvolle Kraft hatte seinen Wunsch in Erfüllung gehen lassen. Er hatte zwar nicht das Messer gehalten, hatte aber im Geist diese Hinrichtung befohlen.
    Von diesem Augenblick an erinnerte er sich an nichts mehr. Nicht an die Beerdigung, nicht an die Klagen seiner Mutter, nicht an die Geldprobleme, mit denen sie jeden Tag zu kämpfen hatten. Paul beschäftigte sich nur mit der Tatsache, dass er allein schuld war. Er war der Auftraggeber des Massakers.
    Jahre später immatrikulierte er sich an der Sorbonne für das Jura-Studium. Durch mehrere Jobs hatte er genügend Geld zusammengespart, um sich ein Zimmer in Paris zu mieten und sich von seiner Mutter fern zu halten, die zur Trinkerin geworden war. Sie arbeitete als Putzfrau in einem Supermarkt und zeigte sich überglücklich, dass ihr Sohn Anwalt wurde. Doch Paul hatte andere Pläne.
    Nachdem er 1990 den Magister absolviert hatte, trat er in die Inspektorenschule in Cannes-Ecluse ein. Zwei Jahre später schloss er mit dem besten Ergebnis ab und konnte sich einen der begehrtesten Posten für junge Polizeianwärter aussuchen: OCTRIS, die Abteilung zur Bekämpfung illegalen Drogenhandels, Tempel der Drogenjäger.
    Sein Weg schien vorgezeichnet. Vier Jahre in einem wichtigen Amt oder in einer Elitebrigade und dann der Aufstieg. Bevor er vierzig war, würde Paul Nerteaux einen hohen Posten im Innenministerium an der Place Beauveau bekleiden, unter den goldenen Paneelen des Großen Hauses. Ein blendender Erfolg für ein Kind aus so genannten schwierigen Verhältnissen.
    In Wahrheit interessierte Paul sich nicht für einen solchen Aufstieg. Seine Berufung zum Polizisten hatte andere Hintergründe, die mit seinem Schuldgefühl zusammenhingen. Noch fünfzehn Jahre nach dem Ausflug zum Hafen von Gennevilliers wurde er von Gewissensbissen gequält. Sein Weg war von dem Willen vorgezeichnet, seinen Fehler wieder gutzumachen, eine verloren gegangene Unschuld wieder zu finden.
    Um seine Ängste im Zaum zu halten, hatte er sich eine eigene Technik ausdenken müssen, eine geheime Methode der Konzentration. In dieser Disziplin hatte er die notwendige Energie gefunden, zu einem unbeugsamen Polizisten heranzuwachsen, der in seiner Abteilung abwechselnd gehasst, gefürchtet oder bewundert wurde. Nur geliebt wurde er nicht, denn niemand begriff, dass sein unnachgiebiger Wille zum Erfolg ihm den einzig möglichen Weg öffnete, zu überleben und seinen Wahnsinn in Schach zu halten. Nur so konnte er die Dämonen fern halten, dabei wusste niemand, dass er in der Schublade seines Schreibtischs noch immer einen kupfernen Brieföffner sorgfältig aufbewahrte ...
    Paul hielt das Steuer fest umklammert und konzentrierte sich auf die Straße. Warum wühlte er gerade heute diese Scheiße auf? Kam es durch die vom Regen durchnässte Landschaft? Daher, dass es Sonntag war, der tote Tag unter lebenden Menschen?
    Rechts und links von der Autobahn sah er nur die schwärzlichen Streifen beackerter Felder. Die Linie des Horizonts sah aus wie eine letzte Furche, die zum Nichts des Himmels führte. In dieser Gegend konnte nichts passieren, hier konnte man nur in aller Ruhe in Verzweiflung versinken.
    Er warf einen Blick auf die Karte, die sich über dem Beifahrersitz ausbreitete. Er musste die A1 verlassen und Richtung Amiens auf der Route Nationale weiterfahren. Danach würde er die D 2345 erreichen, und nach weiteren zehn Kilometern war er am Ziel.
    Um seine düsteren Gedanken zu vertreiben, konzentrierte er sich auf den Mann, den er aufsuchte, vermutlich der einzige Polizist weit und breit, dem er lieber nicht begegnen würde. Er hatte in der Personalabteilung seine Akte fotokopiert und hätte seinen Lebenslauf auswendig hersagen können.
    Jean-Louis Schiffer, geboren 1943 in Aulnay-sous-Bois, Département Seine-Saint-Denis. Je nach Umständen Chiffre, »Zahl«, oder Fer, »Eisen«, genannt: Zahl wegen seiner Neigung, bei den Fällen, die er bearbeitete, einige Prozente in die eigene Tasche abzuzweigen; Eisen wegen dem Ruf eines unversöhnlichen Bullen, der ihm anhing - und wegen des langen, grauen, seidigen Haares, das seinen Schädel umwehte.
    Nach seinem Studienabschluss wird Schiffer 1959 als Soldat nach Algerien geschickt, ins Bergmassiv Les Aurès. 1960 geht

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